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Der Austritt großer Gasmengen aufgrund der Beschädigung der russischen Gas-Pipeline Nord Stream lässt die Frage aufkommen: wurden die Rohrleitungen gesprengt? Falls ja, wie ist das sprengtechnisch möglich? Und wer ist dazu in der Lage? Der Versuch der Herbeiführung einer Arbeitshypothese und die Bewertung des aktuellen Standes der Berichterstattung in den Medien.

Nord Stream-Rohre
Stapel von Rohrleitungen für die Gasleitung North Stream 2 im Hafen Mukran, September 2020, © Pedant01 / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

Möglichkeiten der Sprengung von Nord Stream 1 und 2

Erstellung: 29.09.2022, Autor: David Domjahn
Aktualisiert am 27.05.2023 (Ergänzung zur Yacht-Theorie)

Am 23.2.2023 hat die Tagesschau einen Beitrag veröffentlicht, in dem ein peinlicher Übersetzungsfehler unterlaufen ist.
Für diesen übernehme ich einen Teil der Verantwortung und bitte um Entschuldigung:
https://sprengtechnik.de/sprengstoff-in-pflanzenform/

Für Aktualisierungen bitte nach unten scrollen. Der Artikel basiert auf der ab dem 29.09.2022 entwickelten Arbeitshypothese. Zu diesem Zeitpunkt lagen noch keine öffentlich zugänglichen Spurenbilder vor, so dass auf der Grundlage des damals noch dürftigen Lagebildes die verschiedenen Zerstörungsmöglichkeiten dargestellt und bewertet wurden.

Bis zum 12.02.2023 hält Schweden die Ermittlungsergebnisse der Tatortsicherung unter Verschluss. Ohne eine metallographische Analyse und die Ermittlungsergebnisse ist trotz des Berichts von Seymour Hersh, der Recherchen der ZEIT und der ARD eine fundierte Aussage über die Täterschaft nicht möglich.

Mit der Einschätzung, dass die Leitungen gesprengt und die Sprengungen von außen vorgenommen wurden, lagen wir (Fritz Pfeiffer und ich) bereits 2022 richtig. Zur Dokumentation und Herleitung wird der alte Kenntnisstand nicht revidiert, sondern sukzessive mit neuen Erkenntnissen unter Angabe des Datums ergänzt. Dies soll auch für den Leser, der die Seite regelmäßig besucht, eine Vereinfachung darstellen, sich nicht jedes Mal durch die lange Herleitung kämpfen zu müssen.

Dieser Beitrag befasst sich ausschließlich mit den sprengtechnischen Möglichkeiten. Andere Fragen (Möglichkeit des Einsatzes von Tauchern, …) kann ich mangels Fachkenntnis nicht beantworten. Ergänzungen der Leser sind jedoch im Kommentarbereich möglich.

Über Kommentare von Lesern mit Fachwissen

  • zu der Möglichkeit und des Aufwands der Reparatur der Ostsee-Pipelines,
  • zur Klärung, ob und welche Sensor-Technik zur Überwachung der Pipelines eingesetzt wurde

freue ich mich.

Medienecho zur Sprengung von Nord Stream 1 und 2 bzw. Verlinkungen auf diesen Beitrag

Arbeitshypothese und Vorstellung der Möglichkeiten zur Sprengung der Nord-Stream-Pipelines 1 und 2

Nach dem Vorliegen von Bildmaterial am 18.10.22 lässt sich die Ursache, wie es zu den Lecks in den Nord-Stream-Pipelines am 26.09.2022 kam, zwar besser eingrenzen. Eine endgültige Aussage oder Rückschlüsse auf die Täterschaft sind auch nach dem Bericht von Seymour Hersh Stand 12.03.2023 nicht möglich. Aufgrund des Schadensbildes ist eine der nachfolgend dargestellten Möglichkeiten der Sabotage durch Sprengung der russischen Ostseepipeline durch staatliche Akteure wahrscheinlich. Weitere Informationen finden sich im Wikipedia-Artikel.

Inzwischen steht fest, dass an den Pipelines Nord Stream 1 und 2 nahezu gleichzeitig an mindestens drei Stellen Schäden aufgetreten sind. Diese waren geeignet, die unter Druck (mehr als 10 MPa / 100 bar) stehenden Gasleitungen zum Bersten zu bringen. Obwohl Nord Stream 2 noch nicht in Betrieb war, stand auch diese Pipeline unter Betriebsdruck.

Die Destabilisierung der europäischen Energieversorgungssysteme und anderer kritischer Infrastrukturen gehört zu den Sabotageversuchen: „Wir sind in einem fossilen Energiekrieg. Die Mittel, die da gewählt werden, sind drastisch“ sagt Prof. Claudia Kemfert, Leiter der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.

Auch mein Unternehmen (telematis Netzwerke GmbH) wehrt um die 30 Millionen Cyber-Angriffsversuche auf die interne IT-Infrastruktur ab, Tendenz in den letzten Wochen zunehmend.

An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an Fritz Pfeiffer, sachverständiger Hochschuldozent für Sprengstoff im Umfeld von Terrorlagen, USBV und CBRNE-Analytik für die wertvollen Rückmeldungen und Anregungen, die in den Beitrag eingeflossen sind.

Ist eine Sprengung der Nordstream-Pipelines denkbar?​

Dies ist nicht auszuschließen. Die Ausprägung der Seismogramme wurde mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht durch ein Erdbeben, sondern durch Unterwasserexplosionen verursacht. Die betroffenen Erdgasleitungen Nord Stream 1 und Nord Stream 2 sind in einer Wassertiefe von ca. 70 Metern beschädigt.

Die Schwingungen im ersten Sechstel des Seismogramms sind kontinuierliche leichte Vibrationen, gefolgt von Erschütterungen, die durch die Detonation von mehreren hundert Kilogramm TNT-Äquivalent verursacht wurden. Die abklingenden Schwingungen im hinteren Drittel könnten durch Gasaustritte aus der Nord Stream verursacht worden sein.

«Bei Erdbeben gehen die seismischen Wellen von einer Fläche aus, bei Explosionen von einem Punkt» sagt Joachim Saul vom Deutschen Geoforschungsinstitut Potsdam. Im Seismogramm lässt sich dies unterscheiden.

Die in der Ostsee verlegten Stahlrohre der Nord-Stream-Pipeline 2 bestehen aus miteinander verschweißten 12-Meter-Segmenten. Sie haben einen Innendurchmesser von 1,153 m, eine Metallwanddicke zwischen 27 Millimetern bei Deutschland. Auf russischer Seite beträgt die Wandstärke 41 Millimeter dimensioniert für Drücke von bis zu 220 bar. In Deutschland beträgt der Gasdruck noch über 100 bar. Beide Pipelines bestehen aus jeweils zwei Strängen und alle vier Rohrleitungen sind seit dem 26.09.2022 unbenutzbar.

Die Zerstörung der Nord Stream-Pipeline durch Sprengstoff ist möglich und naheliegend. Die im Folgenden betrachteten Varianten ermöglichen eine Sabotage.

Seismogramm Nord Stream
Aufzeichnungen der Station Delary (DEL) des Schwedischen Nationalen Seismologischen Netzwerks (SNSN): Zwei Ereignisse im Abstand von wenigen Sekunden wurden registriert. Welleneigenschaften deuten ein nicht tektonisches Ereignis an. Quelle: Swedish National Seismic Network. Uppsala University

Wie könnte die Sabotage der Nord-Stream-Gasleitung ausgeführt worden sein?

Für eine detonative Zerstörung unter Wasser gibt es mindestens drei Möglichkeiten:

1) Mittels in die Stahlrohre eingebrachte Ladung von hochenergetischem Sprengstoff, wie z. B. Semtex oder C4 auf Nitropenta- bzw. Hexogenbasis (diese Methode erscheint nach Auswertung des Bildmaterials vom 18.10.22 unwahrscheinlich),

2) auf die Pipeline aufgebrachte Schneidladungen, die ggf. bereits an Land einbetoniert wurden und damit unauffällig sind – diese Methode wäre theoretisch möglich, konkordieren jedoch nicht zur Explosivstoffmenge laut Seismogramm,

3) von außen an die  betonummantelten Stahlrohre aufgelegte Munition (oder Beschuss) Diese Variante stellt nach Auswertung des Bildmaterials vom 18.10.22 die aktuell wahrscheinlichste Arbeitshypothese dar.

Mit allen drei Methoden kann eine Zerstörung herbeigeführt werden. Unterwassersprengungen sind sowohl im militärischen als auch im zivilen (gewerblichen) Bereich üblich und weit verbreitet. Wer bereits über eine sprengstoffrechtliche Befähigung verfügt, kann sich auf dem Sonderlehrgang Sprengen unter Wasser in einer Woche die Grundlagen dafür aneignen.

Gasaustritt in der Ostsee nach der Sprengung von Nord Stream
Das Gasleck bei Nord Stream 2, gesehen vom dänischen Abfangjäger F-16 auf Bornholm, Luftbild: Danish Defence Command

Unterwassersprengungen haben den Vorteil, dass durch den “Dämmeffekt” des umgebenden Wassers bereits kleine Sprengstoffmengen eine große Wirkung erzielen.

Auf das Prinzip “maximale Wirkung bei minimalem Sprengstoffeinsatz” wurde im Fall der Sprengung der Nord-Stream-Pipelines (bewusst?) verzichtet.

Möglichkeit 1: Sprengung der Nord Stream-Pipeline durch Einbringen einer Sprengladung

In diesem Fall wird in das offene Rohr Sprengstoff eingebracht und mit einem (zeitgesteuerten) Sprengzünder(n) versehen. Eine Menge plastischen Sprengstoffs im Kilogrammbereich ist hierbei ausreichend. Im Gegensatz zu außen angebrachtem Sprengstoff reichen kleinere Mengen aus, um die auf den Gasdruck ausgelegten Toleranzgrenzen der Rohrleitung durch Sprengung punktuell zu überlasten. Hierfür eignet sich plastischer Sprengstoff (fälschlicherweise oft als Plastiksprengstoff bezeichnet). Dieser zeichnet sich im Gegensatz zu gelatinösen Sprengstoffen durch eine höhere Brisanz und eine längere Haltbarkeit von über zehn Jahren aus.

Diese Methode ist jedoch aus den folgenden Gründen eher unwahrscheinlich:

1) Das seismische Muster deutet auf eine Explosion mit einer größeren Nettoexplosivstoffmasse hin. Nach Auswertung der Seismogramme ist von einer Sprengstoffmenge von mehreren 100 kg TNT-Äquivalent auszugehen. Diese Sprengstoffmenge ist jedoch für eine eingebrachte Sprengladung nicht erforderlich, zumal die Rohrdurchmesser von über einem Meter keine sperrigen eingebrachten Hindernisse zulassen. Oder diese wären bereits bei der Inbetriebnahme durch Messungen aufgefallen, zumal sie einen Druckabfall erzeugen.

2) Das Einbringen von Sprengstoff kann nur durch einen bekannten Personenkreis z. B. auf dem Verlegeschiff oder bei Wartungsarbeiten erfolgt sein.

Der Täterkreis ließe sich dementsprechend leicht eingrenzen.

Ein (staatlicher) Akteur, der unerkannt bleiben will, wird dies zu vermeiden suchen.

3) Bei Inspektionsarbeiten mit Molchen (Inspektionsrobotern) bzw. anlässlich der Qualitätsprüfung beim Bau der Ostsee-Gasleitung von Russland nach Deutschland wäre eine in die Rohrleitung eingebrachte Sprengladung aufgefallen. Ein am Inspektionsroboter gezündeter Sprengsatz führt ebenfalls zu Trümmern des Transportmittels und birgt die Gefahr, den Täterkreis einzugrenzen.

4) Die Auslösung der in die Nord Stream-Pipeline eingebrachten Sprengladungen könnte durch eine zeitgesteuerte Zündung erfolgen. Da eine Funkauslösung aufgrund der dickwandigen Abschirmung der Pipelines unwahrscheinlich ist, bedeutet dies, dass der Zeitpunkt der Sprengung im September 2022 bereits beim Bau vor vielen Jahren festgelegt/programmiert worden sein müsste. Dies erscheint sehr unwahrscheinlich, zumal der Zünder im Gegensatz zum Sprengstoff nur eine begrenzte Haltbarkeit von wenigen Jahren hat und somit das Risiko besteht, dass der Zünder durch Versagen bei der regelmäßigen Inspektion entdeckt wird.

Die Variante des Einbringens von Sprengstoff erscheint daher unwahrscheinlich, zumal der Zündzeitpunkt mittels Zeitzünder über einen längeren Zeitraum im Voraus hätte bestimmt werden müssen. Nord Stream 1 wurde zudem ebenfalls beschädigt und ging bereits 2011 in Betrieb.

Möglichkeit 2: Sprengung der NordStream-Gasleitung durch außerhalb angelegte Schneidladung

Mit Schneidladungen lassen sich auch Stähle von der Dicke und Beschaffenheit der Nord Stream-Pipeline mit geringen Sprengstoffmengen effizient trennen. Die Einsatzmöglichkeiten von Schneidladungen habe ich in einem Blogbeitrag am Beispiel des Abbruchs eines Tagebaugerätes beschrieben.

Diese Linearladungen sind flexibel im Sinne der Biegsamkeit um Rohre. Sie lassen sich z. B. einsetzen, um diese vollständig zu trennen oder auch nur Teilstücke aus ihnen entfernen, wie im Video dargestellt.

Es wäre durchaus möglich, die Schneidladung mit Zünder und Auslöseeinheit (Funkfernsteuerung) bereits an Land unter der Betonummantelung zu platzieren. Sie wäre dann bei der Verlegung nicht sichtbar. Die Schneidladung verliert ihre Wirksamkeit über viele Jahre nicht. Der notwendige Zünder hingegen altert mit den Jahren und es besteht die Gefahr, dass er später nicht auslöst, d. h. die Sprengladung zukünftig entdeckt wird. Dies würde den Täterkreis eingrenzen.

Eine weitere Möglichkeit ergibt sich durch Anlegen der Schneidladungen an die Rohre unter Wasser. Eine Positionierung auf der Betonummantelung halte ich für unwahrscheinlich, weil die Schneidladung so dimensioniert sein müsste, dass ihre Schneidleistung sowohl Beton als auch die Rohrleitung durchtrennt. Hier besteht immer die Gefahr, dass die Schneidladung den Stahl nicht (vollständig) durchdringt. Von daher erscheint es geeigneter, die Schneidladung zwischen den Betonummantelungen nach vorheriger Entfernung des Polyurethanrings (siehe dazu das Memo der NordStream AG vom Februar 2009) auf dem Stahlrohr zu positionieren. Eine Platzierung auf der Polyurethanschicht bei den Schweißverbindungen zwischen den einzelnen Rohrsegmenten wäre auch denkbar; dies erfordert jedoch wieder den Einsatz größer dimensionierter Schneidladungen, um ausreichende Schneidleistung angesichts des durch die Rohrisolierung erhöhten Abstand aufzubringen. Zudem ergibt sich keine glatte Schnittkante, wie sie auf den Unterwasseraufnahmen vermutet werden kann. Ein vorheriges Entfernen der Kunststoffaufüllung zwischen den Betonmänteln wäre daher sinnvoll, bedarf aber einem Einsatz von Tauchern oder Fernmanipulatoren. Die Notwendigkeit der exakten Positionierung der Sprengladung erfordert zusätzlichen Zeitaufwand mit dem Risiko, entdeckt zu werden.

(Gewerbliche) Schneidladungen hinterlassen eine charakteristische Schnittfläche, die mit der Trennung mit einem Schneidbrenner vergleichbar ist. Siehe dazu das Foto der Trennfläche einer gesprengten Pardune des ehemaligen Mittelwellensenders Heusweiler. Charakteristisch für das Sprengergebnis gewerblicher Schneidladungen ist der Auftrag eines Metalls mit hoher Dichte als Bestandteil des “Liners” der Schneidladung auf der Schnittfläche des Werkstücks. Schneidladungen, wie Semtex Razor oder Linear Cutter verwenden zur Erhöhung der Durchschlagskraft hier Kupfer. Der Einsatz von Schneidladungen kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, da nach den Erkenntnissen aus der seismischen Auswertung nicht nach dem üblichen MiniMax-Prinzip “minimale Sprengstoffmenge für maximale Wirkung” gearbeitet wurde und der Aufwand zur Befestigung einer größer dimensionierten Schneidladung an mehreren Stellen radial um die gesamte Rohrleitung höher ist als bei der nachfolgend beschriebenen Methode.

Ausgehend von einem Durchmesser von 1153 mm und einer Wanddicke von ca. 40 mm ergibt sich ein Umfang von π * (1153 + 40 + 40) mm = ca. 3,9 m. Entsprechend lang muss eine direkt an der Rohraußenseite radial angebrachte Schneidladung mit entsprechender Leistung sein, um 40 mm Stahl zu trennen. Daraus ergibt sich ein Mindestbedarf an Sprengstoff pro Rohrschnitt von ca. 8 kg bei Verwendung einer handelsüblichen Schneidladung mit plastifiziertem Kupferliner und dem Sprengstoff Semtex. Oder alternativ 2,6 kg bei einer Schneidladung auf Hexogen-/Oktogen-Basis mit weitgehend starrem Kupferliner. Diese Sprengstoffmengen sind so gering, dass ihre Detonation seismographisch nicht auffallen würde. Schneidladungen mit der seismisch ermittelten Explosivstoffmenge bezogen auf den Rohrumfang sind nicht bekannt. Zudem hinterlassen sie aufgrund ihrer Überdimensionierung keine glatte Schnittfläche.

Detailansicht Stahlsprengung mittels Semtex-Schneidladung
Detailansicht der mit Schneidladung erzeugten Schnittflächen

Mit flexiblen Schneidladungen lassen sich Öffnungen auch in unter Druck stehenden Rohrleitungen schnell und sicher anfertigen.

Möglichkeit 3: Sprengung von Nordstream durch außerhalb angelegte geballte Ladung oder Beschuss

Die Schäden liegen in einer Wassertiefe von ca. 70 m. In solchen Tiefen können auch in der Ostsee Berufs- und Waffentaucher arbeiten, um die bereits erwähnten Schneidladungen oder – noch einfacher – Sprengladungen in Form von Kriegswaffen (z. B. Minen) anzubringen. Moderne U-Boote sind auch für subversive Vorbereitungen ausgelegt. Es ist daher durchaus denkbar, die Beschädigung mit einer so genannten gebündelten Sprengladung herbeizuführen. Die dafür erforderliche Sprengstoffmenge muss ausreichend dimensioniert sein, um die 6 bis 15 cm dicke Betonummantelung (bzw. die Polyurethanschicht zwischen den Betonummantelungen) einschließlich des dickwandigen Stahlrohres zu durchschlagen. Der seismisch ermittelte Wert von über 100 kg TNT-Äquivalent ist rechnerisch mehr als ausreichend für eine an der Gasleitung angebrachte Sprengladung, um eine Zerstörung sicher herbeizuführen. Das Seewasser als “Verdämmung” wirkt sich zusätzlich positiv auf das Sprengergebnis aus. Sprengladungen könnten auch mit ferngesteuerten Unterwasserfahrzeugen (ROUV) angebracht werden. Taucher und Tauchroboter können unbemerkt von (getarnten) Handelsschiffen aus eingesetzt werden. Durch den Einsatz von Zeitzündern oder ferngesteuerten Sprengladungen kann die Vorbereitung viele Tage/Wochen/Monate im Voraus erfolgen.

Plastische Sprengstoffe wie Semtex können mindestens zehn Jahre ohne Qualitätsverlust gelagert werden. Die zuvor beobachteten amerikanischen Kriegsschiffe in der Nähe der Tatorte sind daher kein Beweis für eine Täterschaft der USA.

Denkbar ist auch ein Beschuss mit einer Kriegswaffe (z. B. Torpedo). Hier besteht allerdings die Gefahr, dass die Trümmer die Herkunft verraten.

Um einen Eindruck von der Wirkung des Sprengstoffs auf Stahl zu vermitteln, zeigt das folgende Foto das Ergebnis der Penetrationswirkung von 250 g des plastischen Sprengstoffs Semtex auf eine 13 mm dicke Stahlplatte. Der Sprengstoff wurde hier als Hohlladung eingesetzt und wirkte von der Unterseite der Metallplatte aus gesehen nach oben. Um die Splittergefahr zu verringern, wurde die Ladung bei der Sprengung über der Metallplatte positioniert und wirkte nach unten.

Auch der aus dem militärischen Bereich stammende Sprengstoff Semtex ist abgebildet. Dabei handelt es sich um einen formbaren (plastischen) Sprengstoff mit hoher Sprengkraft. Semtex ist wie andere militärische Sprengstoffe (C4, …) wasserbeständig und kann ohne Qualitätsverlust ca. zehn Jahre gelagert werden. Seine Wasserbeständigkeit ermöglicht den Einsatz unter Wasser bis zu einer Tiefe von 100 Metern.

Für eine qualifizierte Aussage über die Ursache der Zerstörung der Nordstream-Pipelines ist eine kriminaltechnische Untersuchung der beschädigten Leitungen erforderlich. Nur so kann eine Aussage über den verwendeten Sprengstoff getroffen werden. Durch die Sicherstellung von Fragmenten (Splittern) kann ggf. der Einsatz von Kriegswaffen nachgewiesen werden.

Auswirkung von Semtex auf eine Metallplatte
Auswirkung von 250 Gramm Semtex auf eine 13-mm-Stahlplatte
"Plastiksprengstoff" Semtex
Plastischer Sprengstoff SEMTEX als mögliches "Werkzeug" zur Sprengung von Nord Stream 1 und 2

Fazit und Aktualisierung der Arbeitshypothese der Sprengung von NordStream (Stand 02.11.22)

Schnittflächen der Nord Stream-Pipeline
Unterwasseraufnahmen der gesprengten Gasleitung von Nord Stream, Bildquelle: Schwedische Zeitung Expressen

Eine Spurenanalyse zur Identifizierung des verwendeten Sprengstoffs dürfte wegen des Entweichens von unter Druck stehendem Gas aus der Pipeline und des Eindringens von Meerwasser schwierig sein. Zumal das Ostseewasser um Bornholm mit versenkter Munition und Sprengstoff (1,6 Millionen Tonnen laut Umweltbundesamt) aus dem Zweiten Weltkrieg bereits vorbelastet ist. Dass diese nach dem Weltkrieg achtlos in der Ostsee entsorgte Munition an mehreren Stellen und spontan im Bereich der Nord Stream-Pipeline detonierte, ist unwahrscheinlich. Zumal die Nord Stream AG bereits im Vorfeld des Pipelinebaus eine Munitionsaltlastenuntersuchung durchführen ließ.

Seit dem 18.10.22 liegen erstmals Videoaufnahmen einer zerstörten Gasleitung vor. Diese zeigen im vorherigen Bild eine erstaunlich glatte radiale Schnittfläche, die untypisch für den Einsatz einer Schneidladung oder einer innen angebrachten Sprengladung ist. Die scheinbar glatte Schnittfläche könnte durch das Abtrennen des Rohres bei der Spurensicherung durch die schwedische Regierung nach dem Anschlag erklärt werden. Immerhin machte diese keinen Hehl daraus, bereits am 06.10.22 Spuren gesichert und den Tatort rund um die beschädigten Pipelines geräumt zu haben. Die Beweismittel wurden also vor den Filmaufnahmen entfernt / gesichert.

Interessant ist jedoch die folgende (auch leider nur unscharfe) Aufnahme, welche zeigt, dass Teile der Nord Stream 1-Pipeline nach Angaben der NordStream-Betreibergesellschaft auf einer Länge von 250 Metern in den Meeresboden gerammt wurden:

Teile der NordStream-Pipeline wurden in den Meeresgrund gedrückt
Die Explosion ramme Stahlrohre von Nord Stream in den Meeresgrund. Bildquelle: Schwedische Zeitung Expressen

Die drei bis fünf Meter großen Krater im Meeresboden können nur durch extreme Druckeinwirkung entstanden sein und lassen auf eine Sprengladung von mehreren hundert Kilogramm Nettoexplosivstoffmasse (NEM) an zwei Stellen auf der Oberseite der Pipeline schließen, die dazu beigetragen haben könnte, die Pipeline in den Meeresboden zu drücken und an beiden Stellen abzuscheren. Die Tatsache, dass die Pipeline an zwei Stellen gesprengt wurde (eine Sprengung hätte ausgereicht, um die Pipeline unbrauchbar zu machen), kann aus Redundanzgründen erfolgt sein. D. h. auch bei Sabotageakten kann nie ausgeschlossen werden, dass eine Sprengladung bzw. der Zünder versagt, so dass durch eine zweite, örtlich versetzte Sprengung die Wahrscheinlichkeit der gewünschten Zerstörung erhöht wird. Auch im Bereich des gewerblichen Abbruchs wird je nach Kritikalität von redundanten Sprengladungen und Zündern Gebrauch gemacht, siehe dazu auch mein Blog-Beitrag Sendeschluss.

Die Hypothese einer Sprengung von innen kann damit verworfen werden, da dies zu einer Fragmentierung der Rohrleitung geführt hätte und der Effekt des Eindrückens in den Meeresboden mit einer eingebrachten Sprengladung nicht eingetreten wäre. Auch die Option eines “chirurgisch präzisen” Einsatzes von Schneidladungen dürfte ausscheiden, da die erforderlichen Sprengstoffmengen von ca. 10 kg Nettoexplosivstoffmasse (NEM) pro Schnitt seismisch nicht nachweisbar gewesen wären und eine radial eingebrachte Schneidladung das Eindringen in den Meeresboden nicht erklären würde. Bedeutet: Der Täter hat durch die Wahl überdimensionierter Sprengladungen möglicherweise bewusst die “Sichtbarkeit” der Zerstörung, ggf. mit “militärischer Handschrift”, angestrebt. Mit dem sich ergebenden Bild (Eindrücken der Pipeline in den Meeresboden, ggf. Abscheren und seismisches Muster als Indikator für die Sprengstoffmenge) könnten (alte) Kriegswaffen, oder auch moderne Seeminen als Sabotagemittel zur Zerstörung kritischer Infrastruktur eingesetzt worden sein (siehe oben Variante 3).

Die Unterkategorie der Grundminen ist für diese Wassertiefen ausgelegt. Sie enthalten Sprengstoff in der seismisch ermittelten Menge. Die Faktoren (Wirkungsrichtung, Sprengstoffmenge) lassen vermuten, dass die Sprengladungen (Minen?) möglicherweise an der Oberseite der Rohrleitungen angebracht wurden.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit wurde der Anschlag auf die Gasversorgung durch Fachkundige mit Zugriff auf entsprechende Hilfsmittel und Logistik (z. B. U-Boot) durchgeführt. Zwar haben Klimaaktivisten mitgeteilt, Pipelines zu zerstören, sei ihre Pflicht. Aufgrund des hohen Aufwandes und der erforderlichen Kenntnisse halte ich ihre Täterschaft hier für unwahrscheinlich.

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Urheberschaft der Zerstörung der Nord Stream-Pipeline schon wegen des Kontakts mit Meerwasser nie aufgeklärt wird. Zusätzliche Intransparenz mit Spekulationspotential entsteht durch eine m.E. nicht nachvollziehbare Geheimhaltung. Denn sowohl Schweden, als auch Deutschland haben die Aufklärung zum Staatsgeheimnis gemacht.

Dieser Anschlag zeigt einmal mehr, dass sich unsere Gesellschaft nicht in Sicherheit wiegen darf. Denn kritische Infrastrukturen können nicht hundertprozentig überwacht werden und sind daher anfällig für Angriffe. Diese können mit sehr geringem Aufwand durchgeführt werden. So liegt der kommerzielle Einkaufspreis für den Sprengstoff Semtex bei kleinen Mengen bei 96 Euro pro Kilo. Sein Schwarzmarktpreis liegt um ein Vielfaches höher. Ein elektrischer Zünder ist für ca. drei Euro zu haben. Dem steht ein Schaden von über zehn Milliarden Euro allein durch Nord Stream 2 gegenüber. Dessen Reparatur ist jetzt fraglich, weil eindringendes Salzwasser die Innenbeschichtung beschädigt. Dies macht die Gasleitung wahrscheinlich dauerhaft unbrauchbar. Außerdem: Wer garantiert, dass nach einer Reparatur nicht wieder ein Anschlag verübt wird, solange der Täter nicht ermittelt ist?

Zusammenfassend stellt sich die Frage: cui bono – wem nützt es – den Russen? Sind die Anschläge zufällig so geplant, dass Gazprom seiner Vertragsstrafe entgehen kann, aber eine Röhre von NordStream 2 für die Option der Weiterbelieferung intakt bleibt? Um die innenpolitische Unruhe in Deutschland durch den Streit um die Sanktionen aufrecht zu erhalten? Putin hatte die Gaslieferung über die verbliebene Pipeline angeboten. Hat Russland mit der Zerstörung von 3/4 der Kapazität eine dauerhafte Reduzierung geschaffen, die es ermöglicht, das nun überschüssige Gas an andere Nationen zu verkaufen? Wie sieht hier der Business Case aus? Kosten durch den Verlust von drei von vier Pipelines vs. eingesparte Kosten für Strafzahlungen vs. Möglichkeit, die Gaskapazität langfristig an andere Nationen zu verkaufen? Wie sieht der Business-Case hier aus: Kosten aufgrund Verlust von drei von vier Gasleitungen vs. eingesparter Kosten von Pönalstrafen vs. Möglichkeit des langfristigen Verkaufes der Gaskapazität an andere Nationen?  
Oder nutzt es (indirekt) den Amerikanern, denen Nord Stream schon immer ein Dorn im Auge war und die damit jetzt die Abhängigkeit zu ihrem LNG-Gas erhöhen? Warum wurden dann nicht alle vier Gasleitungen zerstört, obwohl die Sprengsätze redundant an den drei beschädigten Gasleitungen angebracht waren? Wurde bewusst auf eine vollständige Zerstörung verzichtet, um den Verdacht auf Russland zu lenken? Oder steckt eine andere Nation, z. B. England, hinter diesem Sabotageakt gegen kritische Infrastruktur?

Fakt ist: Durch Nord Stream 1 fließt seit September kein Gas mehr. Nord Stream 2 ist nie in Betrieb gegangen. Daher ergibt die Zerstörung zum jetzigen Zeitpunkt nur Sinn, um vollendete Tatsachen zu schaffen. Wer auch immer die Sabotage verübt hat, will mit dieser Aktion möglicherweise auch signalisieren, dass man sich in Zukunft nicht mehr auf die Sicherheit und Verfügbarkeit kritischer Infrastruktur verlassen kann. Nur wenige hundert Meter von den Detonationen an Nord Stream 1 und 2 entfernt verläuft ein wichtiges Seekabel von Schweden nach Polen – warum wurde dieses nicht zerstört oder sollte der Anschlag primär auf die Pipelines beschränkt bleiben?

Aktualisierung der Arbeitshypothese zu den Nord Stream-Sprengungen vom 20.11.2022

Unterdessen sieht Schweden die Sabotage der Ostsee-Pipelines mit Sprengstoff bestätigt. Zu diesem Schluss kommt die schwedische Staatsanwaltschaft.

An den Pipelines seien Spuren von Sprengstoff gefunden worden. Um welchen Sprengstoff es sich handelt, ist nicht bekannt. Zivile Sprengstoffe sind seit vielen Jahren markiert, so dass eine Rückverfolgung eingeschränkt möglich ist. Darüber hinaus gibt es weltweit Altbestände an unmarkierten Explosivstoffen mit langer Haltbarkeit.

Folgende Fragen sind weiterhin offen:

  • Wurde der Tatort bewusst in den jeweiligen Wirtschaftszonen und nicht auf staatlichem Territorium gewählt?
  • Warum wurde nur einer der beiden Stränge von Nord Stream 2 gesprengt? Angesichts des Aufwandes erscheint es merkwürdig, dass ein Viertel der Transportkapazität unbeschädigt blieb, während an anderer Stelle sogar redundante Sprengladungen eingesetzt wurden.

  • Warum wurde Nord Stream 1 am 26.9.22 um 19:03 Uhr gesprengt, genau 17 Stunden nach Nord Stream 2 (2:03 Uhr)? Zeitverzögerte Sprengsätze wurden bereits von Terroristen eingesetzt, um eintreffende Rettungskräfte zu schädigen. Eine Schädigung von Einsatzkräften oder Erkundungsteams halte ich für unwahrscheinlich, da das primäre Ziel ein Angriff auf die deutsche Gasversorgung war.

Aktualisierung vom 30.11.2022 zur Bewertung von neuem Bildmaterial von Nord Stream

Der BBC-Mitarbeiter Kosta Kallergis hat Untersuchungen des Tatortes begleitet und stellt auf seinem Twitter-Profil Videoaufnahmen sowie ein Sonarbild zur Verfügung (Herzlichen Dank an den Kommentator denkwertzeichen für den Hinweis!):

Sonarbild des Tatortes (Foto: Kosta Kallergis, BBC)

Auf dem Sonarbild ist eine weite Verteilung von Teilen der gesprengten Pipeline zu sehen. Weitere Detailaufnahmen im Video einer Unterwasserdrohne zeigen u. a. ein im Meeresboden senkrecht stehendes Stück Rohrleitung. Als Ursachen für die räumliche Verteilung kommen Sprengungen, Gasdruck sowie Meeresströmungen in Frage. Möglicherweise wurden auch Teile der Pipeline im Rahmen der Spurensicherung bewegt oder vom Schiff ins Meer geworfen, so dass sie sich jetzt an anderer Stelle befinden.

Auf dem Sonarbild ist ein V-förmig abgeknicktes Rohrsegment zu erkennen. Dies kann die Folge einer Sprengladung sein, die auf das Rohr aufgebracht wurde. Leider sind bisher keine Detailaufnahmen/Videos der Knickstelle der Rohrleitung öffentlich verfügbar.

Nach innen gekrümmte Rissflächen deuten auf eine Explosionseinwirkung von außen hin. Sollte ein hochexplosiver Sprengstoff wie TNT oder Semtex verwendet worden sein, könnte der Sprengsatz auch in geringem Abstand (1-2 Meter?) zur Pipeline platziert worden sein, da die Zertrümmerungswirkung hochenergetischer Sprengstoffe durch das Seewasser als Druckübertragungsmedium abgeschwächt wird.

Screenshot blueeye-Video (aus https://www.hispantv.com/noticias/rusia/555779/video-gasoducto-nord-stream)

Eine direkte Aufbringung (“Formschluss”) mit einer aufgebrachten Schlagladung von 200-300 kg auf die Betonummantelung führt zu einer Zertrümmerung, d. h. das dargestellte Bild lässt eher einen Abstand zwischen Sprengstoff und Rohrleitung vermuten.

Eine in die Rohrleitung eingebrachte Sprengladung hätte Teile nach außen gebogen. Weitere Ausschlussgründe für Sprengladungen innerhalb der Rohrleitung wurden bereits im Beitrag sowie in der Beantwortung von Leserkommentaren dargestellt.

Aber auch aus diesem und dem bisher veröffentlichten Material ergeben sich aus den noch spärlichen öffentlich zugänglichen Spuren keine Hinweise auf die Täterschaft. Ein staatlicher Akteur erscheint jedoch aufgrund des erforderlichen logistischen Aufwands wahrscheinlich. Eine “sichere Auskunft über Impulsrichtung, relative Stärke etc. der Einwirkung ist nur durch metallografische Untersuchung von zweckmäßig entnommenen Materialproben möglich” sagt auch der Kollege Fritz Pfeiffer in seinem Gutachten

Aktualisierung vom 24.02.2023 zur These von Seymour Hersh

Die Tagesschau fragte mich am 22.2.23 zu meiner Einschätzung. Grund ist der Bericht von Seymour Hersh vom 08.02.2023 (“How America Took Out The Nord Stream Pipeline“). Die Tagesschau wollte von mir wissen, wie ich die Wahrscheinlichkeit einschätze, dass „Sprengstoff in Pflanzenform“ für den Anschlag verwendet wurde. Allein die Fragestellung kam mir merkwürdig vor und ich fragte nach, ob Hersh richtig übersetzt worden sei. Dies wurde mir bestätigt. Ich bitte um Entschuldigung, dass ich mich auf die Aussagen der Tagesschau verlassen habe. Wie es zu dem Fehler der Tagesschau kam, für den ich eine Mitverantwortung übernehme, habe ich in dem Beitrag https://sprengtechnik.de/sprengstoff-in-pflanzenform/ dargestellt. Denn mit „plant shaped C4 charges“ meint Hersh offensichtlich nicht Sprengstoff in Pflanzenform, sondern das Anbringen („to plant“) von Schneidladungen oder Hohlladungen („shaped charges“).

Unabhängig von diesem Missverständnis gibt das Spurenbild keinen Hinweis darauf, dass bei der Zerstörung der Nord Stream-Pipelines Schneidladungen oder Hohlladungen verwendet wurden. Schneidladungen müssten arbeits- und zeitaufwändig radial um die Pipelines herum positioniert werden.

Hohlladungen erzeugen bei der Detonation einen „Jet“. Dieser ist in der Lage, die Gasleitung zu zerstören. Das frei zugängliche Bildmaterial zeigt in den Meeresboden gedrückte Teile der vollständig abgerissenen Gasleitung. Es ist zwar denkbar, dass durch eine oben auf der Gasleitung angebrachte Hohlladung bei der Detonation eine punktuelle Perforation entstand, durch die das dann ausströmende Gas (die Leitungen standen unter Betriebsdruck) austrat und ein sukzessives Eindringen in den Meeresboden bewirkte.

Dagegen spricht die seismisch extrapolierte Sprengstoffmenge für eine Hohlladung, die unnötig groß ist, sowie die Schwierigkeit, eine Hohlladung dieser Dimensionierung auf den freiliegenden Gasleitungen zu positionieren, um das oben beschriebene Wirkungsbild zu erzielen. Die Platzierung von Sprengladungen neben statt auf den Gasleitungen ist einfacher zu bewerkstelligen und weniger risikobehaftet hinsichtlich der Gefahr des Abtreibens durch die Meeresströmung.

Mit dem derzeit vorliegenden öffentlichen Spurenbild und der fehlenden metallographischen Analyse ist zum Stand 24.02.2023 keine qualifizierte Aussage möglich.

Für eines kann man Hersh auf jeden Fall dankbar sein, denn erst durch seinen Artikel ist das Thema überhaupt in den Fokus der Medien gerückt.

Beitrag im Tagesschau-Faktenfinder vom 23.2.2023. Bildquelle: Screenshot von Tagesschau.de
Detailansicht Schneidladung
Einsatz einer Schneidladung ("shaped charge") bei der Verschrottung

Aktualisierung vom 12.03.2023 zur Möglichkeit des Einsatzes einer Yacht und Taucher zur Sprengung von Nord Stream

Das Investigativ-Ressort der Wochenzeitung Die ZEIT veröffentlichte in Zusammenarbeit mit der ARD am 7. März 2023 ihre Rechercheergebnisse zu den Anschlägen vom Sommer 2022 auf die Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee.

Die Berliner Zeitung bat mich um meine fachliche Einschätzung zur These, wonach eine Jacht gemietet und mit der seismografisch extrapolierten Menge an Sprengstoff beladen worden sei, auf dass Taucher mehrere hundert Kilo schwere Sprengladungen vom Boot aus an die Nord-Stream-Gasleitungen positionierten.

Die seismografischen Aufzeichnungen der Explosionen lassen auf die Umsetzung einer Sprengstoffmenge von jeweils um die 500 kg TNT-Äquivalent schließen. Entsprechend müsste die Yacht mit diesem Äquivalent an Sprengstoff, also wohl um die zwei Tonnen, beladen worden sein. Dies wirft einige Fragezeichen auf. Zwar liegt man mit dieser Sprengstoffmenge auf der sicheren Seite. Für Sprengungen unter Wasser eignet sich nicht jeder Sprengstoff, denn dieser muss wasserfest sein. Hier kommen z. B. C4 oder Semtex in Frage. Semtex kommt aus dem militärischen Bereich, hat aber auch im gewerblichen Bereich Einzug gefunden und wird bei Sprengarbeiten eingesetzt – Kilopreis um die 100 Euro bei Abnahme kleiner Mengen. Um die Handhabung zu erleichtern, werden plastischen Sprengstoffe üblicherweise in 500-Gramm-Blöcken angeboten in 25-kg-Chargen geliefert. Dies wären um die 80 Kartons, mit der Herausforderung, diese ohne Kran per Hand an Bord zu verlasten.
Für die Anfertigung einer 500-kg-Sprengladung bedarf es anschließend dem Zusammenfügen von rund tausend (!) einzelner Sprengstoffpäckchen, welche dicht an dicht gepackt zu einer sogenannten geballten Ladung gepackt werden müssen. Ein solches aus Einzelpäckchen bestehendes 500-kg-Paket ist weder über, noch unter Wasser alleine schon vom Gewicht her schwer handhabbar und dies ohne Kran. Für einen staatlichen Akteur wäre es daher einfacher, eine solche Sprengstoffmenge in Form einer Grundmine einzusetzen, die per Schiffskran positioniert werden könnte.

Auch der Sinn, in diesem Fall von einer Motoryacht aus mit solchen überdimensionierten Sprengstoffmengen zu arbeiten, erschließt sich mir nicht. Denn ein Sprengstoffäquivalent von 500 kg TNT ist überdimensioniert – und mit Schneid- oder Hohlladungen hätte die Sprengstoffmenge nach dem Minimax-Prinzip (minimale Dimensionierung der Sprengstoffmenge bei maximaler Wirkung) sogar auf handliche 10 kg pro Anschlag reduziert werden können, vorausgesetzt, die Schneidladung hätte an den Verbindungsstellen der Gasrohrsegmente positioniert werden können. Anstelle der Betonummantelung wird dort Kunststoff eingesetzt, der zuvor zur formschlüssigen Anbringung der Schneidladung hätte entfernt werden müssen.

Auffallend ist auch die Entfernung zwischen den Sprengstellen: Die erste Sprengung fand um 2:03 Uhr statt, etwa 80 Kilometer von den anderen drei Sprengungen entfernt, die um 19:03 Uhr stattfanden. Auch bei der zweiten Sprengung liegen mehr als sechs Kilometer zwischen den beiden Sprengorten an den Nord-Stream-1-Röhren.

Es sollte nicht vergessen werden, dass etwa 1,6 Millionen Tonnen Weltkriegsmunition in die Ostsee entsorgt wurden und dass diese auch nach Jahrzehnten noch ihre Explosionsfähigkeit behält. Theoretisch wäre es möglich, brauchbare Munition vom Ostseegrund auszuwählen und diese mit Hilfe von Hebewerkzeugen und Strömung in die Nähe der Gasleitung zu verbringen. Mit einer dann auf die Weltkriegsmunition aufgesetzten Aufschlagpatrone – einige Kilo Semtex oder vergleichbarer Sprengstoff reichen aus – wird die gewünschte Zerstörungswirkung erzielt. Diese Variante hat gegenüber einer neueren Grundmine den Vorteil, dass die Spuren durch den Rückgriff auf alte Sprengmittel noch besser verschleiert werden. Es gibt also keinen Grund, eine kleine Yacht mit Hunderten von Kilogramm Sprengstoff zu beladen und dabei zu riskieren, entdeckt zu werden.

Da die Untersuchungsergebnisse, insbesondere die metallographische Analyse, von der schwedischen Regierung immer noch nicht veröffentlicht wurden, kann auch am 12.03.2023 keine seriöse Aussage über die Täterschaft getroffen werden.

Screenshot des Analyse der Berliner Zeitung vom 12.03.2023
500-Gramm-Block des plastischen Sprengstoffs SEMTEX

Aktualisierung vom 18.03.2023 zur These von Scott Ritter zur Sprengung von Nord Stream

Ein Leser bat mich um meine fachliche Einschätzung zur Aussage von Scott Ritter, der als US-amerikanischer Offizier in seiner Rolle als Inspektor der Vereinten Nationen für die UNSCOM-Mission im Irak bekannt wurde. Ritter behauptet in seinem Beitrag The Nord Stream-Andromeda Cover Up auf Internationalist 360°, dass die Andromeda-Story ein reines Ablenkungsmanöver sei. Ich teile diese Einschätzung von Ritter, nicht aber seine Begründung, denn er verlinkt zu einer Studie Effect of Underwater Explosion on Pipeline Integrity anlässlich der 34. Konferenz der International Conference on Ocean, Offshore and Arctic Engineering, ASME im Juni 2015. Ritter behauptet, dass laut Computer-Modellierung selbst eine Sprengladung von 600 kg, die in einer Entfernung von 5 Metern von einer 34 mm starken, gasgefüllten Stahl-Pipeline zur Explosion gebracht würde, die Integrität der Gasleitung nicht beeinträchtigen würde (“Computer modeling shows that a 600-kilogram high explosive charge detonated approximately 5 meters from a 34mm-thick steel pipeline filled with gas would not compromise the structural integrity of the pipeline.”).

Seine Einschätzung findet sich in der genannten Studie nicht wieder. Vielmehr ergaben Finite-Elemente-Simulationen mit der Software ABAQUS, dass eine Sprengladung von 300 kg TNT-Äquivalent, wie sie seismisch beim Nord-Stream-Angriff ermittelt wurde, bei einer Platzierung in weniger als vier Metern Entfernung von den unter Betriebsdruck stehenden Pipelines geeignet ist, diese zu zerstören.

Die zitierte Studie erscheint mir plausibel und bezieht sich auf das 464 Seiten umfassende Standardwerk von Robert Cole, Underwater Explosions, Princeton University Press aus dem Jahr 1948, das immer noch Gültigkeit hat. Auch die durchgeführten Simulationen weichen nicht wesentlich von den Berechnungsgrundlagen von Cole ab.

Das ASME-Dokument betrachtet Sicherheitsabstände zu nicht detonierten Kampfmitteln außerhalb eines Sicherheitskorridors zur Risikobewertung für Pipelinebetreiber. Bei der Verlegung der Nord Stream-Pipeline wurde Munition innerhalb des Sicherheitskorridors geborgen („85 UXOs [Anm.: UneXploded Ordnance, also noch funktionsfähige Kampfmittel] were found along the selected pipeline route“), Munition außerhalb des Sicherheitskorridors blieb aufgrund der Menge von über 100 000 Tonnen unangetastet.

Ritter läge mit einer Sprengkraft von 300 kg TNT statt der angegebenen 600 kg nicht falsch, übersieht aber offensichtlich die in der Ausarbeitung beschriebene Wirkung der Positionierung der Sprengkörper unterhalb einer Entfernung von fünf Metern. Hier sei auf die Abbildung 12b auf Seite 9 der Ausarbeitung hingewiesen. Die Simulationen wurden erst ab einem Abstand von 4 m zwischen Sprengladung und Rohrleitung (d. h. dem Räum-/Sicherheitskorridor) durchgeführt, da davon auszugehen ist, dass näher liegende Kampfmittel vollständig geräumt werden und somit für eine Risikoabschätzung nicht von Interesse sind.

Die bei der Detonation von 300 kg TNT-Äquivalent entstehende Druckwelle führt bereits bei 4 m zu einer Überschreitung von 3 % der zulässigen Ovalisierung der Rohrleitung. Durch die von der Druckwelle erzeugte “Unrundheit” ist daher selbst bei stabilitätssicherndem Betriebsdruck ein Bersten der Gasleitung bei dieser Sprengstoffmenge unausweichlich: „Ovalization Based Criterion: in accordance to DNV OS-F101 (1) the pipeline shall not be subjected to excessive ovalization. The residual flattening due to global bending and pipe-shell loads, together with the fabrication out-of-roundness, is not to exceed 3.0“, sagt die ASME-Studie auf Seite 5.

Interessant ist dort auch die Tabelle 3b auf Seite 13. Denn die zugrunde gelegten Werte entsprechen annähernd der Nord-Stream-Situation, was den Betriebsdruck und die seismisch ermittelten TNT-Äquivalenten anbetrifft. Laut Tabelle 3d lässt sich bei 600 kg TNT-Äquivalent die Behauptung Ritters nicht begründen, wenn er von einer Distanz einer 600-kg-Sprengladung bei 5 Metern ausgeht. Es gibt zudem keine Beweise für eine Positionierung der Sprengladungen von “ca. 5 Metern” bei Nord Stream. Es ist davon auszugehen, dass ein staatlicher Akteur die genannte Studie bzw. das Standardwerk von Robert Cole mit den Berechnungsgrundlagen kennt. Daher ist es wahrscheinlich, dass er die Sprengladungen so nah wie möglich an den Pipelines platziert hat, um den Erfolg zu maximieren.

Anmerkung: Ich bin mir bewusst, dass die rechnerische Herleitung von Explosivstoffmengen ein Sicherheitsrisiko darstellt. Allerdings sind alle Quellen bereits öffentlich zugänglich, so dass sich meine Ausführungen lediglich als fachliche Einschätzung und Zusammenfassung der Erkenntnisse auf dieser Seite zur Schaffung von Transparenz zur Bewertung der unterschiedlichen Aussagen verstehen. Auf die Richtigkeit meiner Darstellungen erhebe ich keinen Anspruch, zumal die öffentlich zugängliche Spurenlage äußerst dürftig ist und schon deshalb keine qualifizierte Aussage zulässt. Korrekturen und fachliche “Angriffe” auf meine Ausführungen sind unabhängig davon erwünscht!

Ergänzung der Yacht-Theorie vom 08.04.2023

Die Yacht-Theorie sei nicht abwägig, meint Leser Thomas am 8.4.23 in seinem aufschlussreichen Kommentar.

Im Interview mit der Berliner Zeitung (https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/nach-den-pipeline-anschlaegen-nord-stream-recherche-von-zeit-und-ard-experten-aeussern-erhebliche-zweifel-und-welche-rolle-spielt-der-oeltanker-minerva-julie-li.326321) habe ich die Yacht-Theorie angezweifelt, da ich die Logistik von mehreren hundert Kilo Sprengstoff für herausfordernd halte. Denn diese müssten unauffällig an Bord verladen werden, und es müsste sichergestellt sein, dass die einzelnen Sprengstoffpakete – wenn überhaupt – dicht beieinander liegen.

Leider werden die Ergebnisse der staatlichen Untersuchung von der schwedischen Regierung bis zum heutigen Tag, dem 08. April 2023, immer noch zurückgehalten.

Ergänzung der Yacht-Theorie vom 27.05.2023

Der Leser Paul verweist auf den Artikel „Hinweise auf ukrainische Täter verdichten sich“ im SPIEGEL vom 26.5.2023 (siehe auch Kommentarbereich). Gerne nehme ich zu den Ausführungen des SPIEGEL Stellung:

1) “In der Kabine der »Andromeda« fanden sich großflächig verteilt Reste eines unterwassertauglichen Sprengstoffs.”
Dass die Gefahr der Verschleppung hoch ist, sollte jedem bewusst sein, der gewissenhaft mit Explosivstoffen umgeht. Üblicherweise werden (plastische) Sprengstoffe auf Oktogen- oder Hexogenbasis in handlichen, mit Kunststoffbeuteln umhüllten Packungen geliefert. Für die Vorbereitung des Anschlags ist es nicht notwendig, die Verpackung zu entfernen, um eine Verschleppung zu vermeiden oder den Sprengstoff “großflächig” in der Kabine zu verteilen. Kurz gesagt, die Möglichkeit, dass hier bewusst eine falsche Fährte gelegt wurde, kann nicht ausgeschlossen werden.

2) „Ein Ermittler hat die Sprengkraft der eingesetzten Explosionsladungen als äquivalent zu 500 Kilogramm TNT beschrieben.“
Dieser Wert ist bereits Gegenstand der seismischen Auswertung gewesen und längst bekannt. Das auf die Explosionswärme bezogene TNT-Äquivalent von Oktogen beträgt 1,22. Eine 500-kg-TNT-Sprengladung lässt sich folglich mit etwa 400 kg Oktogen substituieren. In der Sprengtechnik wird unter dem Fachbegriff Sprengkraft das Arbeitsvermögen, d. h. die Brisanz eines Sprengstoffes verstanden. Die im Spiegel-Artikel genannte Explosivstoffmenge ist jedoch kein bestimmender Faktor der Brisanz des eingesetzten Explosivstoffs.

3) „Oktogen ist viel leichter als TNT“
Was mit Leichtigkeit gemeint ist, erschließt sich mir nicht. Vermutlich meinen die SPIEGEL-Autoren die Dichte der Sprengstoffe. Diese beträgt für TNT 1,64 g/cm³ und für Oktogen 1,96 g/cm³ (β-Octogen). Ein Sprengstoffpäckchen Oktogen ist damit schwerer als dieselbe Volumenmenge TNT.

4) „Die oftmals vorgebrachte These, die Attentäter hätten den Sprengstoff wegen seines Gewichts nur mit einem größeren Schiff und womöglich einem Mini-U-Boot zum Anschlagsort bringen können, entfällt damit“
Der Oktogen-Mehrleistungsfaktor von ca. 1,22 bezogen auf TNT begründet diese Aussage nicht. Denn es ist unerheblich, ob 400 kg Oktogen oder 500 kg TNT pro Sprengladung auf der Yacht transportiert werden.

Unabhängig davon wurde die These, dass auf dem Grund der Ostsee ausreichend Munitionsaltlasten vorhanden und für Anschläge nutzbar sind, bisher nicht betrachtet. Insofern ist die Yachttheorie möglicherweise zutreffend, da z.  B. alte Kriegswaffen, die sich in Tatortnähe befanden, in die Nähe der Gasleitungen gebracht und mit einer Schlagpatrone von nur wenigen Kilogramm mitgeführtem plastischen Sprengstoff (Oktogen, Hexogen, …) gezündet worden sein könnten.

Die Herleitung des SPIEGEL ist jedoch  unbegründet. Betrachtet man die Profile der fünf (!) Autoren, so fällt auf, dass keiner von ihnen über eine naturwissenschaftliche Ausbildung verfügt. Es wäre sicherlich hilfreich gewesen, die Unterstützung eines Sachkundigen in Anspruch zu nehmen.

Auch hier zeigt sich, dass die Gefahr des Vertrauensverlustes besteht, wenn die Medien ihren Anspruch auf Genauigkeit und Verlässlichkeit vernachlässigen und in ihrer Kontrollfunktion nicht mehr ernst genommen werden. Denn die Medien tragen eine enorme Verantwortung und sollten sich bewusst sein, dass sie eine qualitativ hochwertige Berichterstattung liefern müssen. Dazu zählen gründliche Recherche, Faktenüberprüfung, ausgewogene Darstellung und Transparenz gegenüber den Lesern.

Gleichzeitig liegt es auch in der Verantwortung der Leser, die Medien kritisch zu hinterfragen, verschiedene Quellen zu nutzen und nicht ausschließlich einer Informationsquelle zu vertrauen. Durch die Entwicklung von Medienkompetenz und ein kritisches Bewusstsein kann jeder dazu beitragen, Fehlinformationen zu erkennen.

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66 Antworten

  1. Guten Tag Herr Domjahn

    Im Spiegel gibt es neue Information. Wegen der Bezahlschranke zitiere ich das Wichtigste.
    Paul

    “Die Ermittler von Generalbundesanwalt Peter Frank sind sich inzwischen hingegen sicher, dass die Segeljacht »Andromeda« für den Anschlag verwendet wurde. Sie lief Anfang September 2022 aus Rostock-Warnemünde aus und kehrte nach den Anschlägen zurück. Für ihre Anmietung wurden offenbar gefälschte Ausweisdokumente verwendet.
    In der Kabine der »Andromeda« fanden sich großflächig verteilt Reste eines unterwassertauglichen Sprengstoffs. Es soll sich um Oktogen handeln, einen sowohl im Westen als auch im ehemaligen Ostblock weitverbreiteten Explosivstoff. Ein Ermittler hat die Sprengkraft der eingesetzten Explosionsladungen als äquivalent zu 500 Kilogramm TNT beschrieben. Oktogen ist viel leichter als TNT, wäre mit einem relativ kleinen Boot transportierbar und könnte durch erfahrene Kampftaucher zum Anschlagsort auf dem Grund der Ostsee gebracht worden sein. Die oftmals vorgebrachte These, die Attentäter hätten den Sprengstoff wegen seines Gewichts nur mit einem größeren Schiff und womöglich einem Mini-U-Boot zum Anschlagsort bringen können, entfällt damit.”

    https://www.spiegel.de/politik/deutschland/nord-stream-anschlaege-hinweise-auf-ukrainische-taeter-verdichten-sich-a-b176fd6b-1258-47dc-99bb-6e9db544908e

  2. Hello Mr David Domjahn
    According to the illustrations provided by the seismographic records, it seems that the recorded data correspond to 2.2 on the Richter scale. As a former user of explosive products both above and especially under the water, I would like to know what this value would be if it is converted into mm/sec, a value that we regularly use to record the vibrations during our shots.
    Thanks
    Francis

  3. Sehr geehrter Herr Domjahn,
    in Ihre überaus lobenswerte Dokumentation nahmen Sie drei Graphiken in Form der “Aufzeichnungen der Station Delary (DEL) des Schwedischen Nationalen Seismologischen Netzwerks (SNSN)” auf.
    Sie tragen die Überschrift
    2022-09-26T17:04:00.999999 – 2022-09-26T17:05:59
    Demnach dauerten die Detonationen nahezu zwei Sekunden.
    Nach dem Tagesdatum dürfte nach dem Buchstaben T die Uhrzeit folgen.
    Soll „17:04:00“ 17 Uhr bedeuten?
    Allgemeinen Informationen zufolge soll die erste Detonation um 02:03 Uhr erfolgt sein.
    Die drei späteren Detonationen sollen am gleichen Tag um 19:04 stattgefunden haben.
    Können Sie die Abweichungen erklären bzw. hierzu zweckdienliche Angaben nachtragen?
    Mit bestem Dank für Ihre Mühe,
    Xaver Huber

    1. Hallo Herr Huber,

      Seismogramme werden mit UTC-Zeitstempel (Weltzeit) erfasst. Daher kommen die zwei Stunden Versatz.

      Viele Grüße

      David Domjahn

  4. Guten Tag. Danke für Ihren interessanten Artikel! Als Laie verstehe ich vieles nicht, was nicht weiter schlimm ist.

    Kennen Sie den Artikel von der NY Times vom 7.4.2023?
    https://www.nytimes.com/2023/04/07/world/europe/nord-stream-pipeline-sabotage-theories.html

    Dort steht:

    “Yet one pipeline expert and a professional diver who was part of the team that laid the Nord Stream 2 pipelines last year disagreed. Both the expert and the diver, who works regularly in the Baltic Sea, insisted a small plastic explosive could do the job, as long as it was placed near a seam of the pipeline. They asked not to be identified because they were speaking without authorization from Nord Stream.
    “It is like lighting a match next to a leaking gasoline pump — the gas is all you need,” said one diver.”

    Ist das realistisch? Und was versteht man in unter “small plastic explosive”?

    Der andere Experte im Artikel kam zu einer anderen Einschätzung:

    “Mr. Riber and others also pointed to photographs of the aftermath — pipes bent backward, cracks and craters on the seabed — as traces of a massive bomb, something in the range of 1,000 to 1,500 kilograms.
    “This was not a few pieces of plastic explosives,” Mr. Riber said. “That is a powerful explosion at play.””

    Danke und VG
    Paul

    1. vielen Dank für die Info!

      Die genannten Artikel sind mir nicht bekannt. Das erste Zitat lässt sich vereinfacht übersetzen, dass die Rohrsegmente nicht vollständig mit Beton ummantelt sind und an den Nahtstellen daher bereits eine kleine Menge an plastischem Sprengstoff (“small plastic explosive”) ausgereicht hätte, um die Rohrleitung zu beschädigen. Das ist durchaus realistisch. Jedoch wurden laut seismischen Messungen mehrere hundert Kilo TNT-Äquivalent gezündet.

      Die Größenordnung von 1000 bis 1500 kg Nettoexplosivstoffmasse lässt sich seismisch nicht bestätigen. Diese Menge wäre auch nicht erforderlich gewesen – siehe dazu auch die Ergänzung vom 18.3.23 mit Verweis auf https://www.researchgate.net/publication/276241513_Effect_of_Underwater_Explosion_on_Pipeline_Integrity. Es darf nicht vergessen werden, dass Nord Stream 1 und 2 unter hohem Betriebsdruck standen und dieser geeignet ist, nach Zünden des Sprengsatzes im Nachgang die im zweiten Zitat genannten Defektbilder (“pipes bent backward, cracks and craters…”) zu verursachen.

      1. It is said in a report that the depth of the 2 craters was between 3 and 5 m. As we can see in the video that the bottom is mostly composed by hard mud it can be estimated that the quantity of explosives that was used was therefore comprised between 27 and 130 kg per charge which is quite enough to flatten a pipeline if the charge is placed on or against it.
        Apparently it can also be seen that the explosion occurred at the level of a weld where the outside of the pipeline is only protected by a tar layer encased under a thin plate.
        (In the seventies I have seen the results of the explosion of a 2,5 kg dynamite charge that was accidently led against a 36” discharge pipeline. The pipe was completely crushed).

  5. Danke, sehr geehrter Herr Domjahn, für die detailreiche Analyse.
    Die These „Segelyacht“ ist allein aus (medien)psychologischen wie auch propagandistischen Aspekten bemerkenswert.
    Geht man dagegen von der grundsätzlich Stimmigkeit Seymour Hershs Darstellung aus, fügt dieser die öffentlich zugänglichen Informationen (https://de.wikipedia.org/wiki/Anschlag_auf_die_Nord-Stream-Pipelines) als auch die Darstellung eines Angehörigen des Nato-Manövers BALTOPS 22 hinzu, die dieser dem in Moskau lebenden US-Amerikaner John Marc Dugan im Oktober 2022 anonym übermittelte (Thomas Röper am 9.2.2023: https://www.anti-spiegel.ru/2023/was-ein-whistleblower-mir-schon-im-2022-ueber-die-nord-stream-sprengung-mitgeteilt-hat/), so lassen sich folgende Kernaspekte der Operation festhalten:

    ˗ Die Pipelines wurde mittels in unmittelbarer Nähe angebrachter Sprengladungen von jeweils 200 bis 500 Kilogramm TNT-Äquivalent zerstört
    ˗ Zu deren Anbringung wurden Taucher eingesetzt
    ˗ Deren Einsatz erfolgte im Rahmen des Nato-Manövers BALTOPS 22 wie auch unter dessen Tarnung
    ˗ Die Zündung der Sprengladungen erfolgte akustisch unter Einsatz einer Sonarboje oder ähnlichem

    Aller Wahrscheinlichkeit und naheliegender Weise wurden industriell gefertigte Sprengkörper, wie Minen oder Torpedoköpfe benutzt. Minen haben den Vorteil, von ihrer Konstruktion für lange Verweildauer unter Wasser ausgelegt zu sein. Zudem können moderne Versionen auf bestimmte Schiffstypen angepaßt werden. Da jeder Schiffstyp eine individuelle Akustiksignatur aufweist, läßt sich der „akustische Signalprozessor“ der Minen sicherlich auf eine entsprechende Tonfolge anpassen, die eine Verwechslung mit natürlichen Umgebungsgeräuschen ausschließt. Damit hat man einen „Abzug“ zur Verfügung, den man nahezu nach Belieben betätigen kann. Ein Zeitzünder oder ähnliches wäre angesichts der politischen Brisanz der Operation abzulehnen.
    Viele Details der Operation, speziell das konkrete Anbringen der Sprengkörper, ist der Öffentlichkeit (noch) unbekannt. Doch auch anhand der Beobachtung des Angehörigen von BALTOPS 22 ließen sich viele Lücken – beispielsweise die Tauchdauer, das Auffinden der Pipeline als auch der der Transport der Sprengkörper/Minen – schließen respektive beantworten, wenn man den Einsatz eines U-Bootes hinzuzieht. Spätestens seit Ende des Kalten Krieges hat sich das Einsatzspektrum der amerikanischen Jagd-U-Boote unter anderem auf küstennahe Operationen und der Verbringung von Tauchern erweitert.
    Ferner dürften mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ZWEI Tauchoperation zum anbringen der Sprengkörper/Minen stattgefunden haben. Anders ist kaum erklärlich, warum sich einer der vier Sprengorte etwa 80 Kilometer entfernt von den anderen drei befindet. Das würde auch die „doppelte“ Sprengung eines der beiden Nord Stream 2 Pipeline-Stranges erklären.
    MfG

    1. Sehr geehrter Herr Huber,

      vielen Dank für Ihre Darstellung!

      “˗ Die Pipelines wurde mittels in unmittelbarer Nähe angebrachter Sprengladungen von jeweils 200 bis 500 Kilogramm TNT-Äquivalent zerstört”
      DD: diese Sprengstoffmengen werden durch die seismischen Messungen bestätigt und sie sind geeignet, die Zerstörung herbeizuführen.

      “˗ Zu deren Anbringung wurden Taucher eingesetzt”
      DD: Dazu kann ich nichts sagen, da mir das Fachwissen fehlt. Der Einsatz von Tauchern sei wohl aber möglich, wie z. B. der Leser Thomas kommentierte.

      ” ˗ Die Zündung der Sprengladungen erfolgte akustisch unter Einsatz einer Sonarboje oder ähnlichem”
      DD: das ist möglich.

      “Aller Wahrscheinlichkeit und naheliegender Weise wurden industriell gefertigte Sprengkörper, wie Minen oder Torpedoköpfe benutzt. Minen haben den Vorteil, von ihrer Konstruktion für lange Verweildauer unter Wasser ausgelegt zu sein.”
      DD: das halte ich ebenfalls für die wahrscheinlichste Möglichkeit alleine schon von der einfachen Handhabung. Allerdings bin ich in Sachen Grundminen nicht fachkundig. Hier verweise ich gerne an den Kollegen Fritz Pfeiffer, der Ihre These mitträgt.

      Viele Grüße und Dankeschön für Ihre Ergänzung!
      David Domjahn

    2. Hallo Xaver Huber

      “….fügt dieser die öffentlich zugänglichen Informationen (https://de.wikipedia.org/wiki/Anschlag_auf_die_Nord-Stream-Pipelines) als auch die Darstellung eines Angehörigen des Nato-Manövers BALTOPS 22 hinzu, die dieser dem in Moskau lebenden US-Amerikaner John Marc Dugan im Oktober 2022 anonym übermittelte (Thomas Röper am 9.2.2023….).
      Sowohl John Marc Dugan als Thomas Röper (Blog Anti-Spiegel) sind russische Propagandisten. So behaupten Röper und Dugan, bereits im Oktober 2022 anonym eine E-Mail mit Details zugespielt bekommen zu haben. Aber davon sprachen sie erst nachdem Hersh seine Geschichte veröffentlichte! Die beiden Propagandisten sprangen also auf den Zug auf und nachträglich kann man alles behaupten. Ich halte die anonyme E-Mail-Geschichte für erfunden.

      Mehr zu Thomas Röper (Anti-Spiegel):
      https://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_R%C3%B6per

      John Marc Dugan wird von den US-Behörden gesucht:
      thedailybeast.com/florida-fugitive-john-mark-dougan-heads-into-ukraine-war-zone-to-prove-bioweapons-conspiracy

  6. Vielen Dank für die sehr interessanten Ausführungen!

    Ich möchte noch anmerken, dass jede Segelyacht zur Bedienung der Segel über Winschen verfügt, mit denen sich die Schoten (Segelleinen) kontrollieren lassen, selbst wenn dort mehrere Tonnen Last anliegen. Über eine solche Winsch und eine entsprechend lange Leine wäre es problemlos möglich, ein mehrere hundert Kilogramm schweres Sprengstoffpaket auf den Grund abzulassen. Dieses “Paket” kann ein Bigbag (auf dem Bau eingesetzte Gewebesäcke, gängig mit bis zu 1000 Litern/ 1000kg Größe und Tragkraft) sein, der neben oder hinter der Yacht ins Wasser gehängt und erst dort mit den Sprengstoffpaketen gefüllt wird. Anschließend lässt man das Paket über eine Winsch kontrolliert auf den Grund.
    Die exakte Stelle findet man durch die Taucher, die von der Leitung aus eine Boje gesetzt haben (diese Idee stammt von Achim Schlöffel, einem der erfahrensten deutschen Taucher).
    Eine Bavaria 50 hat eine offiziell erlaubte Zuladung von 1,8 Tonnen, diese kann allerdings problemlos überschritten werden, wenn man die Ladung tief im Schiff staut (und z.B. den 500l-Trinkwassertank nicht komplett füllt). Bei Semtex hätten doch ca. 300kg pro Ladung gereicht?
    Die Tauchausrüstung ist ebenfalls nicht extrem schwer, wenn mit Rebreathern getaucht wird – auch das war eine Vermutung von Achim Schlöffel.

    Insgesamt ist die Yacht-Story gar nicht so unplausibel, wie sie auf den ersten Blick erscheint.

    Vor allem: Auf der Ostsee sind Segelyachten völlig unauffällige Fahrzeuge – weil so viele davon unterwegs sind. Es ist auch Standard, dass mal zum Essen/Kaffeetrinken/Angeln angehalten wird, oder dass man Mann-über-Bord-Manöver übt. D.h. es gibt bzw. gab bis September 2022 kaum ein Verhalten, dass Behördenfahrzeuge in Dänemark veranlasst hätte, sich eine Segelyacht genauer anzuschauen. Quelle: 20 Jahre Segelerfahrung auf der Ostsee.

    1. Vielen Dank für Ihre wertvolle Ergänzung, Ihre Ausführungen klingen plausibel. Werde in einer Aktualisierung gerne auf Ihren Kommentar verweisen.

      Zu Ihrer Frage: Mit 300 kg Semtex ist man auf der sicheren Seite, siehe dazu auch auch die seismische Extrapolation und die Aktualisierung dieses Beitrages am 18.3.23.

      Die Erwartung vor allem an den ÖRR wäre es gewesen, dies alles gesamtheitlich zu betrachten und die Wahrscheinlichkeit der verschiedenen Theorien zu bewerten.

      1. Danke für den Hinweis auf meinen Kommentar!

        Ich möchte noch ergänzen, dass ich trotz der oben erläuterten Möglichkeit einer Verbringung und Platzierung auch schwerer Sprengladungen mit einer Segelyacht die Nutzung großer geballter Ladungen immer noch für den größten Schwachpunkt der Yacht-Theorie halte. Denn Schneidladungen, die Taucher direkt am Mann hätten nach unten bringen können, wären natürlich die logischere Wahl gewesen.
        Die Yachtgeschichte hat allerdings für sich, dass es mit den Aussagen von Hafenmeistern und Vercharterer gegenüber Journalisten immerhin “corroborative evidence” für Teilaspekte gibt. Während zu der Seymour-Hersh-Geschichte nicht nur einige Details klar widerlegt wurden, sondern auch zwei Monate nach Veröffentlichung meines Wissens nach kein Journalist eine weitere Quelle finden konnte – und das, obwohl Hersh seine Geschichte so konstruiert hat, dass es jede Menge Mitwisser hätte geben müssen (was an sich schon unplausibel ist).

        Ja, leider machen die Medien bei der Berichterstattung insgesamt keinen guten Job.

        1. Auch hier vielen Dank für die Ergänzungen!

          Zu den Schneidladungen: Prinzipiell möglich, aber unwahrscheinlich. Denn diese erzeugen maximale Wirkung nur dann, wenn sie direkt auf dem Werkstück (Metallrohr) aufliegen. Die Rohrsegmente von Nord Stream sind jedoch mit einer Beton-Ummantelung versehen und an den Nahtstellen wohl mit einem Kunststoffmantel. Dieser müsste entfernt werden, was Zeit kostet. Nicht zu vergessen ist, dass möglicherweise die Strömung die Befestigung/Fixierung der Schneidladungen erschwert/verhindert. Außerdem bestätigen die seismischen Messungen ein TNT-Äquivalent von mehreren hundert Kilogramm – für Schneidladungen benötigt es diese Größenordnung nicht. Zudem seien die Nordstream-Leitungen sensorüberwacht – aktuelle Sensortechnik ist in der Lage, selbst die kleinsten Anomalien festzustellen, siehe z. B. https://www.apsensing.com/de/anwendungen/pipelineueberwachung – ob Ähnliches bei Nord Stream eingesetzt wurde und die Vorbereitung des Anschlages hätte detektieren können ist mir nicht bekannt.

          Fachliche Ergänzungen daher willkommen!

          Für viel wahrscheinlicher halte ich es, dass entweder Weltkriegsmunition (die es bei Bornholm massig gibt) oder eine Grundmine aus Militärbeständen eingesetzt wurde. Diese können einfach neben die Pipelines positioniert werden sind und für die Zerstörung von Infrastruktur konzipiert.

          Unabhängig davon wurden folgende Fragen bislang nicht gestellt (bzw. die Antworten sind mir nicht bekannt):
          1) Ist eine Reparatur der Nord-Stream-Pipelines möglich und, wenn ja, zu welchen Kosten?
          2) Wie wahrscheinlich ist die Wiederinbetriebnahme angesichts der aktuellen politischen Rahmenbedingungen überhaupt?

  7. In den Ausführungen heißt es u.a., dass es der Täter auf die “Sichtbarkeit“ angelegt hätte.

    Wie klein hätte man aber eine Sprenglandung dimensionieren können, wenn es dabei eher um Einfachheit und Schnelligkeit gegangen wäre, also ohne zeitaufwendige Arbeiten z.B. an der Plasikummantelung an den Natstellen der Pipeline, etc.

    Da auch schon mal Grundminen erwähnt wurden; gibt es millitärische Sprengmittel (quasi vorkonfektioniert) die ausreichend für die Sprengung aber weniger auffällig sind?

    1. Vielen Dank für die Fragen. Mit “Sichtbarkeit” ist gemeint, dass es den Tätern nicht darauf ankam, das sogenannte Minimax-Prinzip (minimaler Einsatz von Explosivstoffmengen für maximale Wirkung) zu verfolgen, sondern den Erfolg sicherzustellen.

      Die Dimensionierung der kleinsten “angelegten” Ladung lässt sich rechnerisch (hierzu steht z. B. das Standardwerk von R. Cole (Underwater Explosions) zur Verfügung oder mittels Simulation z. B. mittels ABAQUS-Software auf Basis der Finite-Elemente-Methode, siehe auch https://de.wikipedia.org/wiki/Finite-Elemente-Methode ermitteln. Ausgerechnet habe ich die kleinst mögliche Menge nicht.

      Zur Dimensionierung von Kampfmitteln fehlen mir die fachlichen Hintergründe – hierzu bitte in entsprechenden Foren nachfragen.

  8. Stupid question. Would it be possible if they used ANFO but made it waterproof somehow? (How much more would require in that case?)
    C4/Semtex feels much harder to get, especially in the amounts of many hundred kg. That would be missing from somewhere?
    But ANFO is possible to steal from diffrent construction projects or mines.

  9. Lieber Herr Domjahn, die Antworten auf diese offenen Fragen könnten einfach sein:
    “Warum wurde nur einer der beiden Stränge von Nord Stream 2 zerstört?”
    2) “Warum wurde Nord Stream 1 am 26.9.22 um 19:03 Uhr ziemlich genau 17 Stunden nach Nord Stream 2 (2:03 Uhr) gesprengt?”

    zu 1): Eine der Pipelines wurde doppelt belegt. Sie deuten dies als Redundanz, was allerdings die Frage aufwürfe: Warum nur an einem der Rohre?
    Für wahrscheinlicher hielte ich einen schlichten Verlegefehler – dass die Attentäter die Orientierung verloren haben, und sich am Rohr Nummer vier zu befinden glaubten, aber an Nr. 3 waren. Die Ostsee ist ziemlich trübe, 20 Meter Sicht gelten als gut, und sind wohl nur im Winter möglich; in der betreffenden Tiefe dürfte es durch die Schwebstoffe auch tagsüber zappenduster sein.

    zu 2): Ich denke wie Sie NICHT, dass die späte Zündung eine Falle für Bergungskräfte hätte sein sollen.
    Eine einfache Erklärung der stark zeitversetzten Explosion wäre die Verwendung chemischer Verzögerungszünder, die bei langer Laufzeit auch eine größere Ungenauigkeit haben müssen. Vorteile dieser Zünder wären ein verkapselter Bau (Wasserfestigkeit), dass die Täter längst weg sind wenn es rummst, und der Verminungszeitpunkt noch schlechter einzugrenzen ist.

  10. Hersh hat mitnichten behauptet, dass C4-Sprengstoff in Pflanzenform eingesetzt wurde. In seinem Artikel heißt es “That would be well within the range of the divers, who […] would […] plant shaped C4 charges on the four pipelines with concrete protective covers.” Da geht es um das Anbringen (to plant) von Hohlladungen (shaped charges) an den Pipelines.
    Das ist schon ein ziemlich peinlicher Übersetzungsfehler!

  11. Danke für diesen ausführlichen Beitrag.

    Ich habe noch eine Frage dazu:
    Welche Abmaße hätte ein Sprengsatz mit ca. 250 kg TNT-Äquivalent?
    Am besten für den derzeitigen Standardsprengstoff sowie für das modernste Produkt.

    Besten Dank.

    Hintergrund für die Frage: Die Positionsdaten der HMS Belos und Carslkrona im Bereich laut Dagens Nyheter und Space Know. Das könnte ja für eine Überprüfung der Pipeline stattgefunden haben. Wären solche Sprengkörper sichtbar oder tarnbar gewesen.

    1. Gerne und vielen Dank für die Rückmeldung!

      Als leistungsfähiger, unter Wasser verwendbarer Sprengstoff könnte z. B. Semtex zum Einsatz gekommen sein (chemische Analysen liegen nicht vor und Schweden betrachtet die Angelegenheit noch immer als Staatsgeheimnis) – Semtex hat eine Dichte von ca. 1,8 g / cm³. Damit hätte ein 250-kg-Sprengsatz eine Kantenlänge von ca. 50 cm.
      Semtex wird in 500-Gramm-Blöcken geliefert, so dass der Sprengsatz nicht als Ganzes, sondern in Teilstücken zusammengesetzt hätte werden können. Bedeutet: wenn keine Seemine verwendet wurde, wäre bereits ein kleineres Motorboot und Taucher als logistische Grundvoraussetzung ausreichend. Das sind aber alles Annahmen und Überlegungen, die bitte nicht als Beweis herangezogen werden können.

      1. Vom BfUS wurde aufgrund der Kraterform ein eher länglicher Sprengkörpfer vermutet.
        Der Kraterabstand wurde von der Nordstream AG bei einem Leck mit 248 Metern angegeben. Die “fehlende” Rohrlänge mit 250 Metern. Das spräche für mich als Laien für eine Länge des Sprengkörpers von ca. 2 Metern. (Annahme, daß die tiefste Stelle des Kraters unter dem Mittelpunkt des Sprengmittels sich befindet.)
        Statt einen Würfels mit 50 cm Kantenlänge würde ich also eher vermuten 1, 50 m Länge, 30 cm Breit und paar Zentimeter Stärke. Könnte das ungefähr hinkommen? Würde solch eine Form noch als geballte Ladung funktionieren?

        Solch “Brett” könnte sicher eingermaßen getarnt aufgebracht werden. Also durch das URF (Unterwasserrettungsfahrzeug) der HMS Belos kaum zu sichten. (Ausgerüstet mit Sonar und starken Scheinwerfern)

        Freilich sind das auch für mich nur Annahmen und Überlegungen. Mir geht es lediglich um die verschiedenen Möglichkeiten, die sich aus den öffentlich zugänglichen Daten ergeben.
        So bin ich z.B. bei dem Semtex-Sprengmittel von 1,5 mal 0,7 mal 0,7 ausgegangen und damit von einer relativ leichten Sichtbarkeit. Das muss ich durch ihre Antwort schonmal revidieren.

        Dagegen hätte ich eher angenommen, daß das Gewicht bei weniger als 225 kg liegen würde.
        Das Hantieren mit solcherart Gewicht unter Wasser entzieht sich meiner Kenntnis.

        1. > Der Kraterabstand wurde von der Nordstream AG bei einem Leck mit 248 Metern angegeben.
          > Die “fehlende” Rohrlänge mit 250 Metern. Das spräche für mich als Laien für eine Länge des
          > Sprengkörpers von ca. 2 Metern. (Annahme, daß die tiefste Stelle des Kraters unter dem
          > Mittelpunkt des Sprengmittels sich befindet.)

          Das muss nicht unbedingt sein, denn der Druck von ca. 100 Bar in der Gasleitung dürfte sich positiv auf das Bersten ausgewirkt haben.

          > Statt einen Würfels mit 50 cm Kantenlänge würde ich also eher vermuten 1, 50 m Länge, 30 cm
          > Breit und paar Zentimeter Stärke. Könnte das ungefähr hinkommen?

          Auszuschließen ist das nicht, wobei mit dieser Dimensionierung ein Eindrücken der Pipeline in den Ostseegrund nicht gelingen dürfte. Mit scheint es wahrscheinlicher, dass Kriegsgerät (Seemine) oder Torpedoköpfe zum Einsatz kamen, zumal aufgrund Algenbewuchs und Strömung die Befestigung einer Ladung aus formbarem Sprengstoff herausfordernd ist.

          > Würde solch eine Form noch als geballte Ladung funktionieren?

          Ja.

          > So bin ich z.B. bei dem Semtex-Sprengmittel von 1,5 mal 0,7 mal 0,7 ausgegangen und damit
          > von einer relativ leichten Sichtbarkeit. Das muss ich durch ihre Antwort schonmal revidieren.

          Die Sprengladung (auch Grundmine) kann auch zwischen Meeresboden und Rohr positioniert worden und mit Sand zugedeckt worden sein. Allerdings hätte diese Positionierung dann kein Eindrücken in den Sandboden zur Folge.

          1. Habe das mit dem spezifischen Gewicht nochmal nachgerechntet. Es wäre auch folgende Abmessung möglich:
            200 x 60 x 10 cm
            Könnte das ausreichen, um das Rohr in den Boden zu drücken? Welche Abmaße müssten sich ändern?

            Wenn bei etwa diesen Maßen das “Sprengstoffbrett” an die Rohrwölbung angepasst werden würde, würden da schon die Effekte eine Hohlladung eintreten? Also die Richtungswirkung verstärken?

  12. Sehr geehrter Herr Domjahn,

    Erst einmal so ziemlich das beste, was es über die Zerstörung von NS2 zu lesen gibt. Danke dafür.

    Eine Anmerkung hätte ich aber. Sie sprengen ja wahrscheinlich nie Dinge die unter Druck stehen.

    Deswegen nehmen Sie die Schneidladung aus der Theorie, weil ja ein seismisches Ereignis im Bereich von Hunderten kg TNT Äquivalent festgestellt wurde.

    Könnte nicht aber eine Schneidladung die unter Druck stehende Leitung zum aufreißen bringen? Theoretisch würde schon reichen nur die Hälfte der Stahldicke “anzusprengen” und den Innendruck den Rest erledigen lassen.

    Solch ein physikalischer Zerknall dürfte bei dem Volumen und Druck der Leitung ein ähnliches seismisches Ereigniss auslösen können.
    Ich persönlich kenne so etwas von “unbeabsichtigten” Explosionen von Druckgasflaschen oder auch Kesselwagen. Hinter profanem Druck steckt eine ungeheuer große Kraft.

    Ich würde denken, dass eine kleine Schneidladung doch einfacher versteckt anzubringen ist.

    Ansonsten sollten Sie Recht haben mit Ihrer Abwägung, würde ich zur Theorie 3 ergänzen, dass Seeminen, Torpedosprengköpfe etc. doch eher unwahrscheinlicher sind, aus dem selben Grund den Sie bei dem Wartungsmolch anführen. Reste dieser militärischen Apparate könnten identifizierbar sein und damit auf die Urheberschaft hinweisen.
    Wenn dann würde ich doch nicht zurückverfolgbaren Sprengstoff nehmen mit möglichst Standard Komponenten.

    Viele Grüße
    Dominik

    1. Herzlichen Dank für Ihr Lob und Ihr Interesse verbunden mit Fragen!
      Sie sprengen ja wahrscheinlich nie Dinge die unter Druck stehen.

      Das ist tatsächlich nicht der Fall. Ausnahmen gibt es z. B. im Katastrophenschutz bzw. bei der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr, unter Druck stehende Behälter in einen sicheren Zustand zu überführen. Hierzu kann mit einem kleinen Schnitt durch Schneidladung gezielt ein Loch zur Druckentlastung aus sicherer Entfernung gesprengt werden.

      Könnte nicht aber eine Schneidladung die unter Druck stehende Leitung zum aufreißen bringen?
      Theoretisch würde schon reichen nur die Hälfte der Stahldicke “anzusprengen” und den Innendruck den Rest erledigen lassen.

      Das ist theoretisch möglich und könnte die Sprengstoffmenge reduzieren. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass hier nicht unter einfachen Bedingungen gearbeitet wurde, d. h. in einer Wassertiefe von ca. 70 Metern, ggf. Strömung und schlechter Sicht. Ergänzend erschwert die Beton-Ummantelung das Erzielen einer solchen Präzision, weil Beton den “Jet” detonierender Schneidladungen abschwächt sowie verzerrt und damit kein glatter Schnitt als Voraussetzung für ein teilweises Trennen erfolgen dürfte.

      Solch ein physikalischer Zerknall dürfte bei dem Volumen und Druck der Leitung ein ähnliches seismisches Ereigniss auslösen können.

      Das ist durchaus denkbar.

      Ich würde denken, dass eine kleine Schneidladung doch einfacher versteckt anzubringen ist.

      Bei Schneidladung muss präzise gearbeitet werden. D. h. der Betonmantel oder der Zwischenbereich (Kunststoff) bei der Verschweißung radial zuvor entfernt werden, um die Schneidladung dann formschlüssig um das Rohr anzubringen. Auch das Entfernen der Betonumhüllung kann nicht lautlos erfolgen. Die Pipeline sei wohl auch akustisch überwacht und das mechanische Entfernen des Betons wäre auffällig und kostet Zeit verbunden mit dem Risiko, entdeckt zu werden.

      Viel einfacher ist es daher, Munition (Minen) neben der Pipeline zu platzieren und ggf. durch die Strömung gegen diese drücken zu lassen. Dies könnte das V-förmige Rohrstück erklären (mit Schneidladung ist eine solche Verformung nicht möglich).

      Munition sei in der Ostsee ausreichend vorhanden oder aus Kriegsgebieten “erhältlich”.

      Eine “sichere Auskunft über Impulsrichtung, relative Stärke etc. der Einwirkung ist nur durch metallografische Untersuchung von zweckmäßig entnommenen Materialproben möglich” sagt auch der Kollege Fritz Pfeiffer in seinem Gutachten.

      Materialproben sowie Untersuchungsergebnisse hält die schwedische Regierung jedoch unter Verschluss, so dass basierend auf den öffentlich erhältlichen Informationen nur eine Hypothese entwickelt werden kann.

  13. Wie unfähig muß man sein, um Cyberangriffe auf IT noch als “russisch” zu bezeichnen?
    Seit 2013 konnte ich über Jahre und im Detailnachweis sehen, daß alle IT-Manipulationen und Angriffe ausschließlich von den bankrotten USA organisiert wurden. Manchmal kamen die Adressen direkt aus Gebäuden oder Anlagen der NSA selbst. Manchmal sind sie geschaltet über die Türkei aus dortigen US-Anlagen und Stützpunkten. Und einmal kam der Angriff von einem russ. Server, aber von einem PC, der die Arbeitssprache “en-us” eingestellt hatte. Ich denke nicht, daß sehr viele in Rußland unbedingt diese Sprache benötigen. Diese Beobachtung kam aber häufiger vor.
    Bei der bemerkten Parteilichkeit in der Sache habe ich die Angaben zu Nordstream dann nur noch überflogen und nicht mehr viel erwartet.

    1. Beiträge zu beginnen, den anderen als “unfähig” zu bezeichnen und dabei zu übersehen, dass ich von “vermehrten Angriffen” gesprochen habe (“Auch mein Unternehmen (telematis Netzwerke GmbH) stellt vermehrt Cyber-Angriffe auf die interne IT-Infrastruktur von russischen IP-Adressen fest.”), lässt nicht auf Differenzierungswillen schließen und lädt nicht zur weiteren Diskussion ein. Denn “vermehrt” ist keine Wertung, sondern eine Feststellung. Aber um den Eindruck von möglicher Parteilichkeit zu vermeiden, habe ich den ersten Abschnitt geändert.
      Denn, wie bereits dargestellt, ist auch Stand heute, 30.11.22, die öffentlich zugängliche Spurenlage ungeignet, die Täterschaft Russlands, der USA oder Groß Britanien zu beweisen. Auch persönlich habe ich keine Präferenz, wer als (staatlicher) Akteur in Frage kommen könnte. Es gibt Argumente außerhalb der sprengtechnischen Betrachtung, die für eine Täterschaft Russlands sprechen und Argumente gegen eine solche. Es wäre nicht überraschend, wenn mindestens die schwedische Regierung den Saboteur bereits kennt. Im Sinne der Transparenz lasse ich Ihren Kommentar stehen.

  14. Zu Robert (beitrag vom 4.11)
    Das die molch Theorie vom Tisch ist sehe ich nicht so. Dein einwurf: der molch hätte Monate vorher in Russland eingesetzt werden müssen stimmt so nicht! Er braucht gerademal 3 bis 4 Tage (siehe: https://m.faz.net/aktuell/technik-motor/technik/die-gaspipeline-durch-die-ostsee-wird-von-einem-besonderen-molch-kontrolliert-12828597.html siehe letzter Satz des artikels)
    Der einwurf: mit dem gasfluss stimmt natürlich aber es gibt auch die Möglichkeit eines molches mit einem eigenem antrieb.

    1. Vielen Dank für den Einwand! Beide Pipelines waren zum Zeitpunkt des Anschlags nicht in Betrieb, d. h. das Gas „stand“. Bitte Belege bringen, wonach die für Nord Stream eingesetzten „PIGs“ einen eigenen Antrieb hatten. Aus bisherigen Informationen geht hervor, dass diese mit dem Fluss angetrieben wurden, siehe z. B. https://www.wermac.org/nordstream/html_img86.html
      Wesentliche Gründe, warum ein Einsatz von Sprengstoff im Inneren der Leitung ausgeschlossen werden kann:
      1) die Druckrichtung der Explosion wirkt sich nach allen Seiten aus und führt nicht dazu, dass Teile der Nordstream-Pipeline in den Meeresboden gedrückt werden,
      2) neue Aufnahmen zeigen, dass Teile der Rissflächen nach innen zeigen. Diese Wirkung lässt sich nur durch eine von außen angelegte Sprengladung begründen,
      3) mit einer Sprengung an drei Stellen und wohl teilweise auch redundant hätten mindestens drei Wartungsroboter eingesetzt werden müssen. Hätten diese keinen eigenen Antrieb gehabt, wäre es eine Herausforderung, diese annähernd ins gleiche Zielgebiet fahren zu lassen, zumal Nordstream 2 nie in Betrieb ging,
      4) der Einsatz von Wartungsgeräten würde den Täterkreis eingrenzen. Würde Russland den Anschlag verantworten, hätte es kein Interesse, als Täter infrage zu kommen, zumal Russland bereits die andere Nationen verdächtigt hat. Das Einbringen von „Molchen“ auf deutscher Seite könnte nur mit selbstfahrenden Robotern gelingen,
      5) bei der Detonation hätten Teile der mit zerstörten Wartungsroboter gefunden werden müssen.

      1. One thing is sure and I totally agre with you M. Domjahn, the explosives charges were all placed at the outside of the pipelines.
        Why:
        1° because transferring a charge via a pig in a pressurized pipeline at 170 to 200 bars over 600 km away would have taken at least 16 Hours.
        2° there are a variety of types of pigs used today, but they have all the same working principle, that to say that they are pushed into the pipeline thanks to the pressure they receive at their back. This means that while they are moving in the pipe the gas in front of the pipe is then progressively compressed, which means that if we don’t want to have an overpressure, the other side (Germany for what concerns this incident) must have a release valve and for sure they would have noticed the overpressure.
        3° every type of explosives has a static compressive strength or in other words a critical density, i.e. a density from which it will no longer be possible to detonate the charge.
        The critical density can vary from 1.5 to several tens of bars depending on the composition and type of explosive. But I’m not sure that there are explosives able to resist to a static compression of 170 to 200 bars (an explosives maker could maybe tell us more).

  15. Bitte den Thread von @KallergisK (BBC auf Twitter) hier mit einarbeiten.
    Kostas Kallergis hat am 27. Oktober 2022 mehrere Stunden an der Stelle der zerstörten Pipelines North Stream 1 verbracht.
    Es gibt neue Kamerabilder von “BlueEye” sowie aufschlussreiche Sonar-Aufnahmen.
    Die erläuterten Sonaraufnahmen kartieren das Gelände und die am Meeresgrund gefundenen Rohrstücke.
    Ein stehendes Rohrstück (ca. 5 m lang) und ein liegendes Rohrstück mit Knick (ca. 50 m lang).
    Diese Rohrstücke liegen etwa 150 m von der Pipeline North Stream 1 entfernt.
    Die Arbeit von Kostas Kallergis liefert neue Einblicke und Details.

  16. Die von einigen Kommentatoren eingebrachte Molch-Hypothese kann im Fall von Nord Stream 2 ausgeschlossen werden. Die Molche, die zu Wartungszwecken eingesetzt werden, haben keinen eigenen Antrieb. Sie werden vom Gasstrom in der Leitung mitgezogen. Nord Stream 2 war aber nie in Betrieb. Es gab keinen Gasstrom, der einen Molch hätte mitziehen können.
    Nord Stream 1 war auch schon seit Monaten nicht mehr im Betrieb. Ein eventueller Molch hätte schon vor Monaten eingeführt worden sein müssen.
    Wenn man noch die vom Autor genannten Argumente hinzuzieht, vor allem die in den Meeresgrund gedrückte Leitung, kann man die Molch-Hypothese begraben.

  17. Hallo zusammen,
    schaut Euch mal das Bild mit dem verbliebenen Rohrende(Pipeline) genau an, dann seht ihr nicht nur die blanke Fläche der Rohrwandung,
    welche beim Abtrennen eines durch die Sprengkraft zerfetzten Randstückes entstanden war und schon vor der gezeigten Bildaufnahme,
    zur weiteren Beweissicherung/Untersuchung mit mit an Land genommen wurde.
    Wenn ich die Bildbreite von links ausgehend, in vier Teilflächen einteile, dann erkenne ich eindeutig,
    in der ersten Teilfläche über dem Rohr eine gerödelte Drahtschlaufe mit nach oben zeigendem Draht.
    Wahrscheinlich sind auch von links gesehen, in der dritten Teilfläche noch zwei Dräte zu sehen.
    Nun frage ich mich, wurden vielleicht die Unterwassergrundminen auf das Rohr in einer Länge von ca. 50 Metern abgelegt und mit Draht gesichert,
    damit sie nicht vor dem Zünden von dem rundem Rohr abrutschen. Denn das die Sprengkraft von oben kam ist für mich klar,
    sonst wäre das Rohr ja nicht so tief in den Meeresboden reingepreßt worden, wobei es natürlich beidseitig von der nicht mit Minen bepackten
    Pipeline abgetrennt wurde. es scheint kein typischer Sprengstoff-Schnitt mit fast geraden Scherkanten zu sein, sondern durch die Minen wurden
    die Bruchränder zerfetzt. Ich nehme auch an, das sich das abgesprengte Rohr(Pipeline) noch in der Vertiefung des zweiten Bildes befindet.

    1. Vielen Dank für die Anmerkungen. Hier meine Einschätzung:

      > schaut Euch mal das Bild mit dem verbliebenen
      > Rohrende(Pipeline) genau an, dann seht ihr nicht
      > nur die blanke Fläche der Rohrwandung, welche
      > beim Abtrennen eines durch die Sprengkraft
      > zerfetzten Randstückes entstanden war

      Siehe dazu den obigen Beitrag – sollte die Trennfläche anscheinend in dieser glatten Form vorliegen, könnte dies vom nachträglichen Absägen anlässlich der Spurensicherung zurückzuführen sein. Unstrittig ist, dass die Auswirkung einer Mine ein anderes Spurenbild hinterlässt.

      > Nun frage ich mich, wurden vielleicht die
      > Unterwassergrundminen auf das Rohr in
      > einer Länge von ca. 50 Metern abgelegt

      das ist durchaus möglich und wurde im Beitrag bereits dargestellt.

      > und mit Draht gesichert, damit sie nicht vor
      > dem Zünden von dem rundem Rohr abrutschen.

      Eine Befestigung des Sprengsatzes an dieser Stelle (Position etwaiger Drähte im Bild) dürfte äußerst unwahrscheinlich sein, denn die seismisch
      ermittelte Sprengkraft dürfte geeignet sein, dem Schicksal eines zur Befestigung eingesetzten Drahtes ein jähes Ende zu bereiten.

      > Ich nehme auch an, das sich das abgesprengte
      > Rohr(Pipeline) noch in der Vertiefung des
      > zweiten Bildes befindet.

      Was inzwischen anlässlich der Beweisaufnahme gesichert ist, ist unklar – leider haben Schweden und auch andere Länder die Angelegenheit als Geheimsache klassifiziert.
      Sollten jedoch zwei im Abstand von ca. 50 Metern voneinander auf derselben Rohrleitung platzierte Sprengkörper (z. B. Minen, Torpedoköpfe, etc.) eingesetzt
      worden sein, müsste dies anhand der Spurenlage an den vier Trennungen nachvollziehbar sein.

  18. Hallo,
    In einem anderen Artikel (leider weiß ich nicht mehr wo) habe uch gelesen, die gerade Schnittkante würde daher rühren, dass die Schweden das Stück Rihr abgeschnitten hätten, um die Explosionsstelle an Land untersuchen zu können.

      1. That isnt fully correct. All criminal investegaion in Sweden has “Förundersökningssekretess”(preliminary investigation confidentiality). The preliminary investigation becomes public domain when charges are brought or its closed, as all goverment records is by default public documents “Offentlighetsprincipen” (Öffentlichkeitsprinzip).

  19. nord-stream-in-zahlen_177_20131128.pdf
    Im PDF der Nordstram AG steht, dass 24 Stunden, 7 Tage pro Woche die Überwachung der Pipeline für die Betriebssicherheit erfolgt. Weiß jemand, wie das gemacht wird? Kamera per Funk? Da auch die Wintershall Dea beteiligt ist, hätten die Deutschen nicht mehr Interesse, das aufzudecken?

  20. Das sehe ich nicht so. Sicherheitsrelevante schweißnähte sollten geröntgt werden, was hier aber nicht geschah. Und jede Prüfung hat ihre Grenzen + fehlermöglichkeiten, letztendlich auch die menschliche störquelle. In Frankreich stehen übrigens alle AKW’s z.Z. Still wegen fehlerhafter schweißnähte und die wurden garantiert mehrfach geprüfte!
    Bei nordstream werden um die 100000 schweißnähte erforderlich gewesen sein inklusive Prüfung, da kann schon mal ein Fehler auftreten. (siehe auch: Meldung vom 21. April 2008 schreibt „Der Spiegel“, die Nord Stream-Pipeline würde nur einer mittelmäßigen Sicherheitsprüfung unterzogen)
    Ich geb dir aber recht mit dem Verursacher, dies deutet auf einen einzigen, der profitiert aber auch sehr von diesem Schaden und musste die Pipeline nicht bezahlen. Aber bei sprengungen bleiben immer Beweise zurück, das wird sich auch hier noch zeigen… Ich bleib dabei: Methode 1.!!!

  21. Mir ist leider nicht bekannt, ob diese Art Wartungsrobotoren zum Einsatz kamen oder kommen. Unabhängig davon dürfte diese Methode auf Insider-Wissen schließen lassen. Klar kommen Molche regelmäßig in Pipelines zum Einsatz und an so einem molch eine ladung anzubringen wäre kein Problem, schicke ich hinter dem 1. Molch einen 2. Molch (ohne ladung) dann bringt die sprengladung sogar mehr, da der Druck nichtin der Leitung verpufft. Das erklärt auch, wieso mal eben 50meter)Leitung weg sind, ist nämlich genau die Entfernung zwischen beiden Molchen. Die sehr gerade risskannte deutet zwar auf eine schneidladung aber hier ist sie eher auf eine materialschwachstelle (zb. Schweissnaht) zurückzuführen. Es ist also die Methode 1. Das erscheint mir auch am einfachsten durchzuführen ohne selbst vor Ort sein zu müssen oder gar Taucher einsetzen zu müssen.

    1. Den Einsatz von Wartungsrobotern (eingebrachte Sprengladung) kann mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, weil als Ergebnis einer Sprengung der Gaspipeline von innen keine glatte Schnittkanten die Folge wären. Auch der Personenkreis der Verdächtigen ließe sich eingrenzen. Materialfehler, die zu einer glatten Schnittkante führen, sollten ebenfalls unwahrscheinlich sein, weil alle Schweißnähte zertifiziert seien: https://www.nord-stream.com/de/presse-info/pressemitteilungen/zertifizierung-der-nord-stream-pipeline-nach-internationalen-standards-135/

  22. Nun gibt es ja Unterwasser-Filmaufnahmen von dem Leck und auch die Aussage, dass etliche Meter Leitung fehlen. Wie beurteilen Sie diese Bilder in Bezug auf die unterschiedlichen Szenarien?

    1. Leider lässt sich abschließend nichts Definitives sagen. Hier muss erst der Verbleib des Reststückes geklärt werden. Auch ist Bildmaterial der anderen Seite der Rohrleitung sowie der anderen Schadensstellen hilfreich. Die schwedische Regierung stuft die Aufklärung als geheim ein (https://www.heise.de/news/Nord-Stream-1-und-2-Schweden-behaelt-Untersuchungsergebnisse-fuer-sich-7309466.html) – es könnte daher durchaus sein, dass nie alle Details ans Licht kommen.

  23. Vielen Dank für den sachlichen Artikel. Könnten Sie das “Seismogramm” bitte genauer erläutern, falls Sie Gelegenheit finden, evtl. mit Pfeilen? War es nur eine Detonation oder drei Detonationen und wie läßt sich dies ablesen? Der Sprengstoff müßte ja bei Hypothese 3) irgendwie auf den Rohren befestigt gewesen sein, oder eher zwischen Rohr und Meeresgrund “eingeschoben”, damit nicht ein Anker “versehentlich” ihn entfernt. Dann müßte ja sich das Rohr auch etwas angehoben und von der Lage verschoben haben, oder? Mir ist übrigens ein Rätsel, warum der gesamte Sachverhalt nicht ein viel größeres Thema in den deutschen Medien ist.

    1. Herzlichen Dank für die Rückmeldung! Da ich kein Fachmann für die Interpretation des Seismogramms bin, kann ich leider nur auf die Dänen (GEUS) verweisen und deren Seite – hier geht man jedoch auch nicht tiefer ins Detail.
      Da die Zerstörung mehrerer Rohre erfolgte, kamen hierzu mehrere Ladungen zum Einsatz. Diese wurden zeitversetzt gezündet (2:03 Uhr und 7:03 Uhr Dänische Zeit am 26. September 2022).

      Zu 3) Ohne eine genaue Aufnahme des Tatortes wird sich die eingesetzte Methode nicht aufklären lassen. Mittlerweile liegen zwar Unterwasseraufnahmen der Nord Stream-Pipeline vor. Hier erscheinen die Schnittflächen sehr präzise und glatt, was den Einsatz von Schneidladung vermuten lässt. Für eine definitive Aussage ist es jedoch m. E. noch zu früh, weil die Unterwasserkamera leider nicht noch näher an die Schnittfläche herangezoomt hat. Hilfreich wäre zudem die Bergung eines herausgelösten Teils für eine genauere Betrachtung der Schnittfläche und Untersuchung auf metallische Anhaftungen z. B. von Kupfer, wie es durch den Munroe-Effekt (https://de.wikipedia.org/wiki/Munroe-Effekt) in Schneidladungen fokussiert ins zu trennende Material eingebracht wird und an den Schnittflächen anhaftet.

  24. Gute Analyse. Tauchroboter gibt es in vielen Grössen und Ausführungen auf dem legalen Markt. Viele Firmen im Offshore-Baugewerbe haben solche, Survey-Firmen ebenso. Die meisten haben Kameras und sind über eine Nabelschnur an das Mutterschiff gekoppelt, weil das Übertragen von Funkdaten unter Wasser schwierig ist. Es gibt jedoch, weniger häufig, semi-autarke Systeme.
    Ob man angebrachte Ladungen über Funk aus grosser Entfernung zünden kann, ist mir nicht bekannt. Sie könnten jedoch mit datum- und zeitgesteuerten autarken Zündsystemen ausgestattet gewesen sein.

  25. Sollte jemand anders der Täter sein, wäre es ihr oder ihm wohl egal. Und wie gesagt: Man bräuchte ja vermutlich nicht einmal einen Molch, den man wieder retten müsste, um dessen Herkunft zu verschleiern. Vermutlich reicht ein “Mini-Fallschirm” an der Ladung, um in Transportrichtung mitgerissen zu werden.

  26. Der focus hat einen Artikel der SZ “übernommen, ein Interview mit Andrij Koboljew (https://en.wikipedia.org/wiki/Andriy_Kobolyev) übernommen. Dessen Aussage ist, dass nur Russland hinter der Pipeline-Sabotage stecken kann.

    https://www.focus.de/politik/ausland/ukraine-krise/ukrainischer-energie-experte-sicher-russland-hat-sprengstoff-schon-beim-bau-der-pipelines-angebracht_id_158521210.html

    Für mich stellt sich di8e Frage, wie die Zündung hätte erfolgen können?

  27. Hallo David,
    dem Kommentar von Raphael Kröger schließe ich mich an.
    Allerdings habe ich noch nicht verstanden, warum nicht auch im laufenden Betrieb ein Molch eingebracht worden sein könnte, der eine Ladung irgendwo ausgesetzt haben könnte, die zeitgesteuert nach Bergung des Molches an einem dafür vorgesehenem Wartungspunkt losgeht… Die Ladung müsste ja wohl in diesem Fall nicht einmal als Schneidladung platziert sein, sondern könnte sogar in der Leitung treibend explodieren und den Schaden anrichten? Je nachdem wäre es ja dann sogar ausreichend, die Ladung ohne Molch einzubringen und sie einfach eine bestimmte Zeit im Durchfluss mitnehmen zu lassen…?
    Gruß,
    Detlef

    1. Herzlichen Dank für die Rückmeldung, Detlef! Prinzipiell wäre das Einbringen von Sprengstoff (viel benötigt man nicht) durch einen Molch auch eine Möglichkeit und dürfte unter die Variante 1 fallen. Allerdings dürfte diese Methode auf Insider-Wissen schließen lassen. Sollte Russland der Täter sein, möchte das Land alles verhindern, was den Verdacht von einem Innenangriff befeueren könnte.

      1. Hätte eine solche von innen erfolgte Zündung nicht zur Folge, dass auch das Gas gezündet hätte? das hätte die Gasleitung dann in Längsrichtung aufreißen lassen, wie ein Würstchen im kochenden Wasser und es hätten sich ganz andere Oberflächenbilder der See gezeigt.

        Nach meinem Dafürhalten erfolgte der Eingriff von außen.

    2. >im Durchfluss mitnehmen zu lassen…?
      Welcher Durchfluß?
      In allen Röhren gab es keinen Durchfluß, die Gaslieferung war eingestellt (NS1) bzw. nie aufgenommen (NS2).

  28. Könnte nicht auch durch einen Molch später eine Sprengladung von Innen angebracht worden sein.
    Dann hätte es mich so früh vorbereitet werden müssen. Wobei das möglicherweise dann den Seismischen Messungen widerspricht sieh Erklärung zu Version 1

    1. Herzlichen Dank für die Rückmeldung! Prinzipiell wäre das Einbringen von Sprengstoff (viel benötigt man nicht) durch einen Molch auch eine Möglichkeit und dürfte unter die Variante 1 fallen. Mir ist leider nicht bekannt, ob diese Art Wartungsrobotoren zum Einsatz kamen oder kommen. Unabhängig davon dürfte diese Methode auf Insider-Wissen schließen lassen. Sollte Russland der Täter sein, möchte das Land alles verhindern, was den Verdacht von einem Innenangriff befeueren könnte.

  29. Sehr anschaulich beschrieben was passiert sein “Könnte”.
    Für sowohl Personen die im Umgang mit Sprengstoffen erfahren sind als auch unerfahren leicht verständlich geschrieben. Dabei sehr Sachlich, unaufgeregt und objektiv.
    Danke David

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