Die Gemeinschaft derer, die (neben-)beruflich mit Explosivstoffen zu tun haben, ist überschaubar. Es ist daher nicht ungewöhnlich, Anfragen von Medienvertretern zu erhalten, wie von der BILD am SONNTAG mit einer Reichweite von ca. 7 Millionen Lesern. In diesem Beitrag möchte ich Tipps für den Umgang mit Medienvertretern geben.

SWR-Studio Karlsruhe

"Können Sie etwas zur Sprengung von Geldautomaten sagen?"

Sprengung Geldautomat BamS

Ob ich etwas fachlich zum Thema Sprengung von Geldautomaten beitragen könne, fragte mich Constantin Weeg, Redakteur der BILD am SONNTAG, neulich. Hintergrund: Jede Nacht wird in Deutschland mindestens ein Geldautomat gesprengt. Tendenz steigend. Im Jahr 2020 waren es laut Angaben des Bundeskriminalamtes (BKA) bereits 414 Fälle, bei denen Täter versuchten, auch mit festem Sprengstoff an Bargeld zu gelangen:

BKA-Statistik der Entwicklung der Geldautomatensprengungen in 2020

Statt Gas setzen die Kriminellen dabei vermehrt auf klassischen oder selbst hergestellten Sprengstoff. Von 18 Fällen in 2019 waren es bereits 111 Vorkommnisse in 2020, bei denen Sprengstoffe, wie z. B. TNT aus Kriegswaffen, Semtex, Blitz-Knall-Körper oder auch Selbstlaborate, wie hochgefährliches, da nicht handhabungssicheres Acetonperoxid (TATP) verwendet wurden. In den Niederlanden kostete im September 2020 einem mutmaßlichen Geldautomatensprenger der Umgang mit Triacetonperoxid sein Leben. Diese und auch andere Unfälle mit selbst hergestellten Sprengstoffen verdeutlichen, dass Täter weder das Risiko, noch den Umgang mit Explosivstoffen einschätzen bzw. beherrschen. Im Gegensatz zu Gas haben Explosivstoffe eine höhere Brisanz, die bei der Sprengung von Geldautomaten regelmäßig zu einer hohen Splitterwirkung, dem Herausschleudern von Teilen des Geldautomaten aus der Verankerung oder gar dem Gebäude oder großflächiger und schwerer Trümmerstücke mit einem größeren Radius des Schadensfeldes führen. Die hierbei durch Detonation angetriebenen, teils massiven und scharfkantigen Trümmerteile erreichen Durchschlagskräfte, denen auch massive Hauswände oder Fensterscheiben nicht standhalten.

Bei der überwiegenden Anzahl der Fälle werden durch die Täter zwei Sprengungen durchgeführt. Zunächst wird der „Kopf“ des Geldautomaten mit einer ersten Sprengung geöffnet, um dann im Rahmen einer zweiten Sprengung ein sogenanntes „Fascia-Paket“ aus Sprengstoff in den verbleibenden Teil des Geldautomaten einzuführen und zu zünden.

„Bei den reisenden Tatverdächtigen aus den Niederlanden handelt es sich weiterhin überwiegend um Personen aus der Region Utrecht / Amsterdam, die häufig einen marokkanischen Migrationshintergrund aufweisen. Diese Personen agieren in Form eines kriminellen Netzwerks, dessen Mitglieder anlassbezogen in wechselnder Zusammensetzung und wechselnden Tatbeteiligungsverhältnissen agieren“, erklärt das BKA in seinem Bericht zu der Täterherkunft.
 
Der Beuteschaden lag 2020 bei 17,1 Millionen Euro. Dies entspricht einer durchschnittlichen Beute von 108.000 Euro pro gesprengtem Geldautomaten. Der Sachschaden an Gebäuden ist jedoch weitaus höher, da insbesondere Trümmerteile und Splitter hohe Risiken bergen, die von den Tätern nicht eingeschätzt werden können.
Mit Handlungsempfehlungen sollen Banken sensibilisiert werden, Sprengungen von Geldautomaten zu verhindern, Angriffsversuche frühzeitig zu erkennen und Folgeschäden zu minimieren. Die teilweise massiven und scharfkantigen Trümmerteile, die dabei durch die Detonation angetrieben werden, erreichen Durchschlagskräfte, denen selbst massive Hauswände oder Fensterscheiben nicht standhalten.

Regelmäßig müssen nach der Sprengung eines Geldautomaten Statiker hinzugezogen werden, um die Tragfähigkeit der verbleibenden Bausubstanz zu beurteilen. Ganz zu schweigen von den nicht quantifizierbaren gesundheitlichen und psychischen Schäden, die Anwohner oder Passanten in unmittelbarer Nähe eines gesprengten Geldautomaten erleiden. Auch Einsatzkräfte sind bei Sprengversuchen einer erheblichen Gefährdung ausgesetzt, da die Explosionsgefahr durch nicht umgesetzte Gase oder (selbstlaborierte) Sprengstoffe bestehen bleiben kann.

Identität des Redakteurs bestätigen lassen

Es ist nicht neu, dass ich ab und zu eine Presseanfrage über diese Seite erhalte. Ist mir der Journalist noch unbekannt, lasse ich mir seine Identität per E-Mail bestätigen und rufe dann umgehend zurück. Denn am Telefon kann sich jeder als Journalist ausgeben und nicht alle Informationen über Sprengstoffdelikte sind für die Öffentlichkeit bestimmt. Dazu gehört auch das Wissen, wie z. B. Geldautomaten mehr oder weniger effektiv mit Sprengstoff geknackt werden können, um an das darin befindliche Bargeld zu gelangen (die zuvor genannten Informationen sind durch das BKA und Landeskriminalämter veröffentlicht und damit kein Insiderwissen).

Manchmal ist es jedoch notwendig, Journalisten mit Hintergrundinformationen zu solchen Themen zu versorgen, damit sie die Fakten entsprechend bewerten und (nicht) veröffentlichen.

"Unter drei" oder Information "off the record"

Solche Hintergrundinformationen, die nicht zur Veröffentlichung  bestimmt sind, werden auch unter drei oder off the record genannt, siehe dazu hier oder den lesenswerten Beitrag im SPIEGEL mit der Möglichkeit, das Gespräch vorab unter drei einzustufen und erst im Nachhinein Zitate dann unter eins (namentliche Zitierung) oder unter zwei (die Möglichkeit der Wiedergabe der Information und das Umfeld der zitierten Person, nicht aber deren namentliche Nennung) freizugeben.

Hiervon habe ich nicht nur in diesem Fall, sondern bereits auch schon an anderer Stelle z. B. anlässlich meiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Beauftragter für Öffentlichkeitsarbeit bei der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk für den THW-Ortsverband Karlsruhe Gebrauch gemacht. Aber auch wenn in vorproduzierten Radio- oder Fernsehinterviews heikle Fragen gestellt werden, aus denen man sich sonst „herausreden“ müsste (was bei Radio- und Fernsehbeiträgen nicht unbedingt einen vertrauenswürdigen Eindruck macht), kann eine Off-the-record-Sprachregelung helfen – wenn man nicht gerade live auf einer Pressekonferenz vor großem Publikum Auskunft gibt.

Ansonsten ist es bei heiklen Fragen in Einzelgesprächen mit Journalisten durchaus zulässig, darum zu bitten, Kamera und Mikrofon kurz auszuschalten, um dem Journalisten die für sein Verständnis notwendigen vertraulichen Informationen zu geben. Wichtig: Hier unbedingt auf die Vertraulichkeit der Information hinweisen, sonst kann alles Gesagte beliebig verwendet werden!

Vorherige Autorisierung von Zitaten?

Was vielleicht nicht bekannt ist: Wer im (Telefon-)Gespräch mit Medienvertretern keine Autorisierung seiner Zitate vereinbart, läuft Gefahr, in Print- oder Online-Medien falsch oder unvollständig wiedergegeben zu werden. Rechtlich ist das nicht zu beanstanden und ist mir auch schon passiert, als ich noch keine Erfahrung mit Medienleuten hatte: Ich hielt Gespräche mit anfragenden Journalisten für einen freundlichen Plausch, freute mich über die Neugier des Journalisten und wunderte mich dann am nächsten Tag über abgedruckte Zitate, die ich so nie gesagt hatte, die aber gut in die Story passten.

Das ist nicht unbedingt böse Absicht der Journalisten, sondern auch dem Zeit- und Erwartungsdruck in den Redaktionen geschuldet. Im Nachhinein etwas zu korrigieren, ist allerdings fast aussichtslos – denn was gedruckt ist, ist gedruckt, und auch ein Online-Beitrag wird erfahrungsgemäß nicht mehr geändert. Auch wenn man noch so freundlich darum bittet.

Das Recht, nicht falsch zitiert zu werden, ergibt sich aus dem Urheberrecht (vgl. das dortige Änderungsverbot in § 62 Abs. 1) und ist Teil des durch Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 GG garantierten Persönlichkeitsrechts. Dies bedeutet, dass der Interviewte selbst entscheiden kann, ob er den Inhalt seiner Kommunikation ausschließlich dem Redakteur, einem bestimmten Personenkreis oder der Öffentlichkeit zugänglich machen will (vgl. BGH, XII ZR 227/03; BGH, XII ZR 210/04). Stimmt ein Interviewpartner einem Interview zu, hat er somit das Recht, über seine eigenen Aussagen zu verfügen. Hierzu hatte auch das Landgericht Hamburg festgestellt, dass ein Verlag zum Beispiel nicht ohne Willen des Autors seine Zitate eigenmächtig in vermeintlich „gendergerechte“ Sprache ändern darf.

Bitte beachten Sie aber unbedingt, dass der Wunsch nach Freigabe der eigenen Zitate unbedingt zu Beginn des Interviews mit dem Journalisten vereinbart werden muss! Sicherheitshalber empfiehlt es sich, den Journalisten nach dem Interview zusätzlich per E-Mail über diesen Wunsch zu informieren und sich natürlich für das Interesse zu bedanken. Ich habe mit dieser Vorgehensweise bisher keine schlechten Erfahrungen gemacht.

Kein Anspruch, Beiträge vor der Veröffentlichung zu erhalten?

Es besteht kein Anspruch auf Vorabvorlage des geplanten Beitrags, in dem man nur Zitate zuliefert. Es ist daher auch nicht üblich, Beiträge vorab zur fachlichen Prüfung zu erhalten. Es schadet aber nicht, dies dem Redakteur anzubieten – nicht aus Misstrauen, sondern um die fachliche Qualität des Beitrages zu erhöhen – in der Regel wird er höflich ablehnen, aber wer nicht fragt, hat gleich verloren. Oder er verliert wegen der kollektiven Unfähigkeit aller Beteiligten, siehe das mit durch mich verursachte Medienversagen der Tagesschau: https://sprengtechnik.de/sprengstoff-in-pflanzenform

Die BILD am Sonntag hat sich an die Absprachen gehalten:
https://www.bild.de/news/inland/news-inland/bka-schock-zahlen-jede-nacht-explodiert-in-deutschland-ein-geldautomat-76967936.bild.html

Wenn es jedoch um eine Reportage über Sie selbst geht, empfehle ich Ihnen dringend, mit dem Redakteur zu vereinbaren, dass Sie diese vorab vollständig einsehen können und ein Vetorecht sowie die endgültige Freigabe erhalten. Denn Sie können sonst sicher sein, dass Sie unvollständig und falsch dargestellt werden. Nachträglich kann dies nicht korrigiert werden. Sollte sich die Redaktion nicht darauf einlassen, überlegen Sie sich bitte, ob ein Verzicht in diesem Fall nicht besser wäre, um sich selbst zu schützen. Bitte vergessen Sie nie: Sie sind nur Mittel zum Zweck für das Medium. Das Menschliche steht dabei oft hintenan.

4 Antworten

  1. Ich bedanke mich sehr herzlich für Ihre sehr wichtigen Informationen. Es wird Sie vielleicht nicht trösten, wenn ich Ihnen mitteile, dass Ihr Fehler für mich die Chance war, hinter die Kulissen wichtiger Medien zu schauen. Und es war ein Glück für uns Mitbürger und Rundfunkkonsumenten, dass gerade Sie diesen einen Fehler gemacht haben. Sie waren auf Grund Ihrer Ehrlichkeit und intellektuellen Hartnäckigkeit in der Lage, wichtige Informationen zusammenzutragen und in einen seriösen Zusammenhang zu stellen. Das ist echte Schwerarbeit, zumal Ihre eigene Betroffenheit emotional gleichzeitig der Verarbeitung bedarf. Es berührt mich sehr, dass Sie sich geradezu ,hemmungslos’ (Verzeihen Sie mir diesen Ausdruck?) in Ihre Aufklärungsarbeit gestürzt haben. Sie haben Gemeinsinn bewiesen, ein sehr wertvoller Beitrag zur Aufklärung. Auch ich bin prinzipiell für den Erhalt des ÖRR, das Problem der Zerstörung von Vielfalt und Transparenz liegt in undemokratischen Strukturen und Rahmenbedingungen, es ist leider systemischer Natur. Was tun? Niemals aufgeben!
    Noch einmal herzlichen Dank für Ihr aufklärerisches Engagement! Therese Unbehaun

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