Wie eine Sprengung am Bodensee im Juni 2018 einen unerwarteten Poli­zeieinsatz aus­löste und für reichlich Aufregung sorgte

Polizist vor Polizeifahrzeugen

Hände hoch! Polizei!

Eduard Reisch, der das Frankfurter AFE-Hochhaus sprengte, hatte Mitte der 1990er Jahre bundesweit Aufsehen erregt, nachdem er für einen befreundeten Bauern einen drei Meter tiefen Krater in den in der Nähe des Klosters Andechs Boden sprengte („Zur Schaffung eines neuen Biotops“, wie es hieß) und Polizei und Feuerwehr auf den Plan riefen. Ein Polizist erzählte, ein Meteorit sei eingeschlagen. Aus der ganzen Welt reisen Experten an und auch die halbe Republik war fest davon überzeugt. Der weihnachtliche Krater führte zu einer intensiven weltweiten Berichterstattung in den Medien. Die Polizei hatte jedoch leider erst einen Tag nach der Sprengung von seiner Anzeige dieser erfahren, da das zuständige Landratsamt die in zweifacher Ausführung schriftlich einzureichende Ankündigung wohl nicht weiterleitete. In zweiter Instanz sprach das Landgericht München II ihn schließlich vom Vorwurf der vorsätzlichen Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion rechtskräftig frei. Seitdem hat der Kollege den Spitznamen „Krater-Ede“ inne.

Ein weiteres Krater-Ereignis im Juni 2018

Ein ähnliches Krater-Ereignis trug sich Anfang Juni bei einer Sprengung am Bodensee zu. Hier haben wir zwar kein Biotop mittels Sprengstoff angelegt. Daher war diesmal kein Krater sichtbar. Dafür aber recht bald ein Polizeifahrzeug, nachdem rund drei Kilo Sprengstoff auf dem Sprengplatz sich einige Minuten zuvor lautstark „zu Wort“ meldeten.

Aus dem Streifenwagen  kommt (nur) ein sichtlich irritierter Beamter auf uns zu: „Polizei! Hände hoch! Was machen Sie hier???“ möchte der Polizist wissen. In der Stimme der Unterton des Vorwurfs. „Wir sprengen“ antwortete ich wahrheitsgemäß. „Sie machen was???“ echauffierte sich der Polizeibeamte. „Wir führen Sprengungen durch“, wiederhole ich.

Ein wenig unwohl war mir schon – Sprengstoff neigt aufgrund seiner Handhabungssicherheit erfahrungsgemäß nicht zu spontaner Explosion; nervöse Menschen mit einer Waffe in der Hand könnten dagegen vom Verhalten her mit Stoffen, die zu spontaner Explosion neigen, vergleichbar sein (Behandlung als Gefahrgutklasse 1.1A).

Der weitere Dialog hat sich dann sinngemäß so zugetragen:
  • Ich: „Gerne zeige ich Ihnen meine sprengstoffrechtliche Erlaubnis“
  • Polizist, die Waffe noch vor sich haltend: „Machen Sie!“
  • Ich: „Die liegt aber in meinem Auto, welches 100 Meter von hier geparkt ist“
  • Polizist: „Nur zu!“
  • Ich: „Darf ich die Hände dazu wieder runternehmen?“
  • Polizist: „Meinetwegen.“

Mit meiner „Lizenz zum Sprengen“ komme ich zurück und zeige dem Polizisten das DIN-A4-Blatt der sprengstoffrechtlichen Erlaubnis.

„Sowas gibt es?? Gerade in Zeiten von bärtigen Salafisten sollten wir doch über sowas vorher Bescheid wissen!“ wundert er sich. Mein Kollege konnte nicht widerstehen, ihn darauf hinzuweisen, dass der einzige, der unter uns einen Bart trägt, nur er sei…

Müssen Sprengungen genehmigt werden?

Blaulicht vor Sonnenuntergang

Müssen Sprengungen denn nicht behördlich genehmigt werden? Antwort: nein. Nachzulesen in § 1 der 3. Verordnung zum Sprengstoffgesetz (3. SprengV). Laut den Worten des Gesetzes müssen Sprengungen lediglich der „zuständigen Behörde“ lediglich „angezeigt“, also nur bekannt gemacht werden. Hier ein Beispiel des Formblatts. Einer behördlichen Genehmigung einer Sprengung bedarf es daher nicht.

Dass die „zuständige Behörde“ die Sprenganzeige an Polizei und Feuerwehr weitergibt, ist jedoch – q. e. d. – nicht garantiert und die Gründe dafür werden ewiges Geheimnis bleiben. Nur wenn am Tag der Sprengung ein Behördenmitarbeiter vorbeischaut (zuweil auch nur dann, wenn ihn/sie das Thema persönlich interessiert), kann davon ausgegangen werden, dass die Sprenganzeige auch gelesen wurde. Ansonsten ist man auf sich alleine gestellt und sorgt mit eigenen Absperrposten für die Sicherheit des Sprengbereiches. Sind öffentliche Wege betroffen, unterstützt die Polizei.

Für Feuerwerk und Spezialeffekte für Film und Fernsehen (SFX) gelten andere Teile des Sprengstoffgesetzes

Anders sieht es übrigens bei (Groß-)Feuerwerk, Bühnenpyrotechnik und Spezialeffekte für Film und Fernsehen (SFX) aus: hier muss neben der obligatorischen Anzeige bereits bei der Erprobung von Effekten unabhängig ihrer Größe und Lautstärke vorher die Feuerwehr gefragt werden. Ob diese mit Mannschaft und Löschfahrzeug vorbeikommt, ist von Fall zu Fall jedoch verschieden. Obwohl es auf meinem Lehrgang für Spezialeffekte für Film und Fernsehen (SFX) heiß herging, war auch dort die Feuerwehr nicht vor Ort. Und die Polizei hat sich auch nicht blicken lassen. Aus sicherer Entfernung beobachten jedoch zahlreiche Zuschauer unser Treiben bei der Abschlussprüfung. Hier habe ich ein Foto der Explosion einer Mehlbombe mitgebracht. Zu SFX-Themen schreibe ich  bei Gelegenheit gerne einen Beitrag.

Explosionsdarstellung mit Sprengstoff
Darstellung einer Explosion auf einem Lehrgang für Spezialeffekte für Film und Fernsehen (SFX)

Fazit: lieber einmal zu viel anrufen

Lessons learned: Immer vor jeder Durchführung einer Sprengung neben der Polizei auch die Feuerwehrleitstelle informieren, um oben beschriebene Verwirrung und unnötigen Einsatz von Polizei aber auch der Feuerwehr zu vermeiden. Das tue ich sonst eigentlich auch. Nur im Fall oben ging dies leider unter.

Wem ist Ähnliches auch schon einmal passiert? Hand hoch! 🙂

Polizist
Netter Polizist

Eine Antwort

  1. Danke für den lehrreichen Blog.

    Neben den mittlerweile nicht mehr üblichen „Kuhsprengungen“ – siehe Wikipedia;
    ist mir der heiße Abbruch eines Stalles des Nachbarn einen Kommentar wert.
    Der verstorbene Vorbesitzer hat darin im Natursteinmauerwerk an verschiedenen Stellen
    etliches an Karabinermunition versteckt,
    welche dann der Reihe nach im Feuer explodiert ist.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert