Im Januar 2021 erhielt ich eine Anfrage eines Abbruchunternehmens, ob man die alte Tribüne des KSC-Stadions sprengen könne. Spoiler: eine Sprengung als Alternative zum klassischen Abbruch wäre teurer und riskanter gewesen.

Im Januar 2021 erhielt ich eine Anfrage eines Abbruchunternehmens, ob man die alte Tribüne des KSC-Stadions sprengen könne. Spoiler: eine Sprengung als Alternative zum klassischen Abbruch wäre teurer und riskanter gewesen.
Die 1991 errichtete Tribüne im Wildparkstadion bot Platz für 6400 Zuschauer. 1200 Tonnen zentimeterdicker Stahl formten die 45 Millionen DM (23 Mio. Euro) teure Konstruktion. Der damalige Oberbürgermeister Gerhard Seiler resümierte bei der Eröffnung: “Der Karlsruher Fußball besitzt jetzt eine moderne komfortable Anlage, die architektonisch und funktional über dem Durchschnitt der Bundesliga liegt.” 25 Jahre später stimmte der Karlsruher Gemeinderat für eine neue KSC-Arena auf der Fläche des alten Wildparkstadions – die Tage der alten Tribüne waren somit gezählt.
Marktübliche Abbruchscheren, also teilweise mit mehreren hundert Bar hydraulisch betriebene Anbaugeräte für Bagger, kapitulieren angesichts der 70-mm-Materialstärke der für die KSC-Tribüne eingesetzten Doppel-T-Stahlträger. Bleiben für den Abbruch nur zwei Optionen: Rückbau in umgekehrter Reihenfolge des ursprünglichen Baus. Also z. B. mittels Mobilkran, Schraubenschlüssel oder Schneidbrenner. Oder die Sprengung. Für Letztes bat mich das Abbruchunternehmen um eine Abschätzung von Aufwand und Kosten und Erfolgsaussicht. Hier wurden beim Vororttermin im Januar 2021 die Möglichkeiten des Abbruchs mittels Sprengung diskutiert.
Ziel fast jeder Abbruchsprenung ist die Überführung des Abbruchobjektes in einen möglichst kleinteiligen, spannungsfreien und bodennahen Zustand. Für die Stahlkonstruktion der Tribüne hätte dies mit Schneidladung erfolgen können. Diese hat sich auch bei der Verschrottung von Braunkohlenbagger und anderen Tagebaugeräten sowie Stahlgittermasten bereits bewährt. Die Fallrichtung der Tribüne hätte rückwärtig erfolgen müssen, da das Spielfeld nicht beschädigt hätte werden dürfen. Anbei die Skizzierung des Sprengkonzeptes zur Überführung in den Zielzustand:
Zur Sprengung kam es jedoch nicht, weil die Kosten für Statiker, die damit verbundene Vorlaufzeit sowie auch die hohen Kosten für eine Vielzahl an Schneidladungen wirtschaftlich nicht vertretbar waren. Denn angesichts der 50 bis 70 mm starken horizontalen und vertikalen Doppel-T-Träger und ihrer Vielzahl wären viele Meter der stärksten und damit teuersten Schneidladung erforderlich gewesen. Zwar hätte zur Einsparung von Sprengstoff eine Vorschwächung der Strahlträger mittels Brennschneidgerät erfolgen können. Aber auch in diesem Fall hätte ich auf eine statische Bewertung bestanden, um schon angesichts der winterlichen Randbedingungen (mögliche Schneelast auf dem Tribünendach sowie Einwirkung durch Wind) jedes Risiko der verbleibenden Standfestigkeit für die anschließenden Vorbereitungen der Sprengung auszuschließen.
Erschwerend kam hinzu, dass die Tribüne um das Spielfeld gekrümmt war, so dass damit das Risiko des „Aufsitzens“ der inneren Vertikalstreben bei einer bodennaher Trennung mittels Schneidladung bestand. Das gewünschte rückseitige Kippen wäre hierdurch erschwert oder verhindert worden. Sicher ist in diesem Fall die Häme der Zuschauer und viel Angstschweiß bei Finden einer Alternative für eine gefahrlose Fortsetzung. Ebenfalls bestand das Risiko, dass nach dem rückwärtigem Kippvorgang durch Sprengung die Tribüne dann auf den violetten Horizontalträgern aufsitzt. Dies hätte bedeutet, dass die gesamte Konstruktion zwar nun in der Höhe reduziert wäre, aber mechanisch unter Spannung steht. Ein Einsatz des Brennschneidgerätes wäre in diesem Fall für dessen Bediener lebensgefährlich und die Limitierung für die Baggerschere unverändert.
Daher wurde statt Sprengung dann mittels Autokran und Schneidbrenner die Konstruktion in umgekehrter Reihenfolge zu ihrer ursprünglichen Errichtung sukzessive beseitigt und damit Platz für die neue Tribüne geschaffen.
Eine Antwort
Νo complaints whatsoever.