Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen. Vor allem dann, wenn die Reise nicht wie geplant verläuft und Sprengstoff sich als Flexibilitätskiller zeigt.
Kürzlich machte ich mich auf den Weg Richtung Norddeutschland, um dort Sprengstoff für ein Projekt zu holen. Warum die lange Strecke mit dem Auto? Sprengstoff darf nicht mit der Post verschickt werden. Der Gesetzgeber fordert, dass Personen, die Sprengstoff in Empfang nehmen, eine entsprechende Befähigung besitzen müssen und der Arbeitgeber eine Erlaubnis. Und dies ist bei Mitarbeitern der Post nicht gegeben. Verbleibt nur die Möglichkeit der Beauftragung einer Spedition mit sprengstoffrechtlicher Berechtigung. Aber selbst für kleine Mengen von ca. 150 Gramm Sprengstoff wie in meinem Fall kostet der Transport (Verbringen wäre übrigens der korrekte Begriff gemäß § 3 Sprengstoffgesetz) rund 700 Euro. Oder die Selbstabholung gegen Vorlage der sprengstoffrechtlichen Erlaubnis beim Händler. Da ich ohnehin Richtung Norden muss, entscheide ich mich für die Selbstabholung.
Seit drei Wochen habe ich meinen Benziner gegen ein Elektroauto getauscht, einen Skoda Citigo e IV. „Elektroautos sind teuer und in ihrer Reichweite kaum alltagstauglich“, lautet ein Vorurteil gegenüber Elektromobilität. Dieses kann ich nicht bestätigen, komme ich mit meinem Skoda Citigo doch rund 180 km weit weg. Was für meine übliche Strecke Karlsruhe-Frankfurt absolut ausreicht. Folglich muss ich auf der Strecke von Norddeutschland nach Karlsruhe mehrfach Strom tanken und mache daher am Autobahnparkplatz Münsterland Halt. 34 Minuten dauert es, bis über den CCS-Stecker rund 16 kWh Strom die Reichweite auf 120 km verlängert hat.
Zwischendurch hält ein Dienstfahrzeug des Zolls neben mir an. Die Beamten fragen mich nach meinen Erfahrungen mit meinem e-Citigo. Und wie es sich mit der Reichweite verhält. Zum Glück interessieren sie sich nicht für die Größe des Kofferraums und verzichten folglich auf den Wunsch, diesen sich zeigen zu lassen. Eine Aussage der Art: „Kann ich gerne zeigen, bitte aber nicht über die Ladung dort wundern“ hätte für Erklärungsbedarf und Zeitverzug gesorgt.
Jetzt aber zurück auf die Autobahn. Starten? Fehlanzeige. So erscheint im Display die Meldung, dass das Hochspannungssystem nicht mehr motiviert sei. Mehrfaches Aus- und Anschalten, Türen zuschlagen, etc. hilft nicht weiter.
Für die Wiederherstellung der Motivation, so die Aussage der Skoda-Hotline, kann nur eine Vertragswerkstatt für den Škoda Citigo e iV sorgen. Bereits nach 15 Minuten nimmt der von Skoda organisierte Abschlepper den Elektroflitzer und mich mit zum Vertragshändler.
Ob man beim Transport von Sprengstoff nicht eine Warntafel für Gefahrgut am Fahrzeug befestigen müsse, wundert sich der Fahrer des Abschleppwagens mit Blick auf meine Ladung im Kofferraum beim Hervorgrubeln der benötigten Abschleppöse. Antwort: Dies ist nicht erforderlich, denn schließlich räumt der Gesetzgeber Erleichterungen beim Versandstücktransport von verpackten gefährlichen Gütern in kleinen Mengen ein. Diese Kleinmengenregelung ist ursprünglich für Handwerker gedacht, die Gefahrgut, wie beispielsweise Gasflaschen, befördern. Wird gemäß der sogenannten 1000-Punkte-Regelung nach Unterabschnitt 1.1.3.6 ADR die Höchstmenge nicht überschritten, ist der Transport von bestimmten Vorschriften befreit. Für Explosivstoffe gilt je UN-Nummer eine Höchstmenge von 20 bzw. 50 kg Sprengstoff (Nettoexplosivstoffmasse), die im gewöhnlichen Pkw ohne äußere Kennzeichnung des Fahrzeuges transportiert werden darf. Dies aber nur, wenn gleichzeitig u. a. ein 2-kg-Feuerlöscher, zusätzliches Warndreieck und ein Unterlegkeil mitgeführt werden. Habe ich natürlich alles an Bord. Und eine äußere Kennzeichnung des Fahrzeuges auch mit dem Hinweis auf die Tätigkeit als Sprengunternehmen hat erfahrungsgemäß die Wirkung eines Magnetes für Polizeikontrollen.
Angekommen bei der Werkstatt die schlechte Nachricht: Die beiden für Elektroautos zertifizierten Mechaniker des Skoda-Händlers sind natürlich ausgerechnet an diesem Tag nicht im Haus. Folglich kann das Fahrzeug erst am nächsten Tag untersucht werden.
Mein Problem nun: den Sprengstoff im Kofferraum darf ich nicht unbeaufsichtigt lassen und muss mich beim Händler hinsichtlich der Ladung outen. „Sowas hatte ich in 16 Jahren Berufsleben noch nicht“, wundert sich der Mitarbeiter, während ich mit dem Karton Sprengstoff kurz Platz im Wartebereich nehme. Skoda schlägt mir vor, die Heimreise mit der Bahn anzutreten.
Die angebotene Fahrt in der 1. Klasse als angebotene erste Option des Weiterkommens klingt zwar verlockend. Aber die Beförderungsbedingungen der Deutschen Bahn AG teilen leidenschaftslos und ohne ein Wort des Bedauerns unter Abs. 7.3 Ausschluss der Beförderung mit, dass ich zwar für „den persönlichen Gebrauch“ sogar Zündhölzer oder ein Feuerzeug in den Zug mitnehmen darf. Sprengstoff sei aber nicht gewünscht bei der Bahn. Und wenn man es dennoch tut? „Reisende, die dieser Verpflichtung nicht nachkommen oder erkennbar ausgeschlossene Gegenstände mit sich führen, können von der Beförderung oder Weiterbeförderung ohne Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen werden“ heißt es dort. Ich vermute, dass das verwendete Modalverb „können“ hier lediglich die euphemistische Umschreibung für Stress bedeutet. Auf nach sich ziehende Fragen der Aufsichtsbehörde hinsichtlich der Zuverlässigkeit dürfte man zudem keine plausible Antwort haben, so dass der Verdacht, nicht sorgfältig mit Explosivstoffen umzugehen, naheliegen dürfte. Kurzum: dies könnte den Einzug der sprengstoffrechtlichen Dokumente zur Folge haben.
Die weitere Option: Übernachtung im Hotel. Leider auch inkompatibel mit einem Karton Sprengstoff als Gepäck, selbst wenn man ein Doppelzimmer gemäß dem Motto: „der Sprengstoff hat sein eigenes Bett“ buchen würde und die Mengen klein sind. Erstens wegen erneutem Erklärungsbedarf vor Ort mit ungewissem Ausgang. Zweitens das Sprengstoffgesetz. Genauer: dessen 2. Verordnung. Dort ist die Aufbewahrung kleiner Mengen geregelt (siehe „Anlage 6 zum Anhang – Zweite Verordnung zum Sprengstoffgesetz (2. SprengV) neugefasst durch B. v. 10.09.2002 BGBl. I S. 3543; zuletzt geändert durch Artikel 111 G. v. 29.03.2017 BGBl. I S. 626, Geltung ab 01.07.1978“). Wenn dort aber bereits ein Arbeitszimmer als Aufbewahrungsort für Explosivstoffe ausgeschlossen wird, dürfe das Mitnehmen in ein Hotelzimmer auch nicht gewünscht sein. Selbst wenn dies so nicht explizit im Gesetzestext steht.
Bleibt auch noch die Möglichkeit der getrennten Übernachtung von Sprengstoff und mir z. B. bei einem Kampfmittelbeseitigungsdienst in der Stadt. Wenn dieser denn über die entsprechende sprengstoffrechtliche Erlaubnis verfügt und zudem auch noch die Möglichkeit zur Aufbewahrung hat. Zudem hat nicht jedes Unternehmen die erforderliche Lizenz seiner Track-and-Trace-Software, “Gast-Sprengstoff” im Lagerbuch zu erfassen und am nächsten Tag wieder auszutragen, erworben. So auch in Münster.
Ebenfalls entfällt die Polizei oder das städtische Ordnungsamt als Option der Aufbewahrung über Nacht. Und der Sprengstoffhändler hatte inzwischen bereits geschlossen.
Schlussendlich blieb nur noch die Möglichkeit übrig, mit einem Leihfahrzeug des Händlers die Heimfahrt anzutreten, was ich dann auch tat, um eine Übernachtung im Fahrzeug mit explosivem Gefahrgut im Kofferraum mangels temporärer Möglichkeit seiner temporären Aufbewahrung zu vermeiden.
Immerhin sei gesagt, dass Skoda bzw. der Autohändler vor Ort alles taten, um ein Weiterkommen zu ermöglichen. Inklusive der Bereitstellung eines Leihfahrzeuges und der Organisation sowie Durchführung des Austauschs des reparierten Škoda Citigo e iV gegen den überlassenen Leihwagen.